Rofo 2009; 181(12): 1109-1112
DOI: 10.1055/s-0029-1241999
Bildessay

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Pilozytisches Astrozytom: Bildgebende Diagnostik

Pilocytic Astrocytoma: Imaging FindingsM. Horger, R. Beschorner, T. Nägele, S. Danz, U. Ernemann
  • Tübingen
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24 November 2009 (online)

Pilzoytische Astrozytome (PA) representieren die häufigsten kindlichen ZNS-Tumoren glialen Ursprungs und stellen zugleich auch das größte Kontingent an zerebellären pädiatrischen Neoplasien dar. Sie werden histologisch gemäß der WHO-Klassifikation als Grad I eingestuft und gelten daher als gutartig mit einer 10-Jahres-Überlebensrate von 94 %. Es werden davon nicht nur Kinder, sondern auch 10-17 % junge Erwachsene betroffen. Die am häufigsten befallenen anatomischen Regionen sind Zerebellum, N. opticus und Chiasma opticum sowie die Hypothalamusregion und seltener die Großhirnhemisphären, das Ventrikelsystem oder Rückenmark. Der klinische Verlauf ist in der Regel günstig mit langsamem Wachstum und oft guter Resektionsmöglichkeit.

Die meisten Tumoren entstehen in der Mittellinie (periventrikulär) insbesondere im pädiatrischen Kollektiv. Die Assoziation mit der Neurofibromatose Typ I ist allgemein bekannt (Abb. [1a-c]).

Abb. 1 Axiale native T1-gewichtete (a) und T2-gewichtete (b) Aufnahmen der Orbitae. Nachweis einer spindelförmigen Auftreibung des N. opticus links mit Elongation, Kinking (retropapilär) unter Einnahme des gesamten retrokonalen Raums (Pfeil). Das T1-Signal stellt sich hypointens, das T2-Signal typischerweise hyperintens dar (Pfeile). Nach i.v.-Gabe von gadoliniumhaltigen Kontrastmittel Nachweis eines kräftigen Enhancements mit Demarkierung (Pfeil) des ummauerten N. Opticus (c). Bei diesem Kind war eine NF1 bereits bekannt.

Die klinischen Zeichen hängen von der Lokalisation und Größe dieser Tumoren ab und schließen Hydrozephalus, Papillenödem, Rumpfataxie, Extremitätendysmetrie, Nystagmus und Abducenslähmung ein. Kopfschmerzen, Übelkeit und Ebrechen sowie Visuseintrübung gehören mit dazu. Bei Lokalisation im Hypothalamus überwiegen Adipositas, Diabetes insipidus sowie Symptome bedingt durch die Hypothalamo-hypophysäre Dysfunktion.

Aus histologischer Sicht zeigen PAs typischerweise ein biphasisches Muster. Neben Anteilen aus lockerem Gliagewebe mit zahlreichen Vakuolen und Mikrozysten finden sich auch kompakte Tumoranteile. Letzteres setzt sich zusammen aus bipolaren Tumorzellen mit elongierten piloiden (haarähnliche) Zellfortsätzen und Rosenthalschen Fasern. PAs enthalten meist auch pathologische Gefäßproliferate, ähnlich denen in Glioblastomen. Diese Gefäßproliferate stellen bei PAs kein Malignitätszeichen dar, erklären jedoch die deutliche Kontrastmittelanreicherung. Es wird vermutet, dass der Tumor aus reaktiven Astrozyten entsteht. Neuerdings wurde eine pilomyxoide Variante des PA mit monomorphen histologischen Zügen ohne Rosenthal-Fasern beschrieben. Dieser Subtyp von PA tritt sehr früh ("infantiler" Typ) auf und zeichnet sich durch einen myxoiden Hintergrund mit angiozentrischem Muster, eine höhere Rate an Rezidiven und Liquoraussaat aus. Die meisten PAs wachsen langsam, aggressivere Verläufe wurden allenfalls selten berichtet. Die meisten PAs sind stark vaskularisiert, was grundsätzlich in der neuroradiologischen onkologischen Diagnostik eher mit malignen Tumoren assoziiert wird. Eine maligne Transformation in ein sogenanntes malignes PA ist äußerst selten.

In der Bildgebung, lassen sich die PAs in der Regel gut abgrenzen. Die CT zeigt sowohl solide als auch solid-zystische Tumoren mit kräftiger KM-Aufnahme, die nur selten von Kalzifikationen begleitet werden (Abb. [2a, b]). Die soliden Anteile weisen in der MRT ein T1-hypointenses, und T2-hyperintenses Signal zum benachbarten Hirnparenchym auf. Perifokale Ödeme sind dabei eher selten. Zystische Anteile verhalten sich liquorisointens. Es werden insgesamt verschiedene Manifestationsmuster beschrieben: solid-zystischer Tumor mit KM-aufnehmenden Knoten in der Zystenwand (Abb. [3a, b]); solider Tumor mit KM-aufnehmender Zystenwand und Zystenwandknoten; nekrotischer Tumor; solider Tumor ohne zystische Komponente (Abb. [4], [5], [6], [7a, b], Kelly KK, Rushing EJ. Radiographics 2004; 24: 1693-1708). Der zystische Tumoranteil scheint dabei keinerlei prognostische Bedeutung zu haben und seine Resektion ist nach Meinung mancher Neurochirurgen nicht zwingend notwendig.

Abb. 2 Axiale native Schädel-CT (a). Nachweis eines suprasellären solid-zystischen PA (Pfeil) mit einem Durchmesser > 4 cm. Retrosellär lässt sich ein nativ hyperdenser Tumoranteil (Knoten, Pfeil) mit exzentrischer Verkalkung erkennen. Die axiale postgadolinium T1-gewichtete Aufnahme (b) zeigt ein ausgedehntes supraselläres PA mit Umscheidung und Stenosierung der rechten ACI. Das Signal ist dabei stark heterogen aufgrund des gemischten solid-zystischen Charakters (Pfeil).

Abb. 3 Sagittale T1-gewichtete KM-angehobene (a) sowie T2-gewichtete Aufnahmen des Schädels bei einem Kind mit einem typischen zerebellären solid-zystischen PA. Am dorsalen Rand des zystischen Tumoranteils demarkiert sich ein kleiner, kräftig vaskularisierter Knoten (Pfeil), der sich in der T2-gewichteten Sequenz isointens zum Hirnkortex darstellt (b). Der Tumor ist in der Mittellinie entstanden und komprimiert aktuell den 4. Ventrikel von dorsal. Der 3. Ventrikel stellt sich demzufolge erweitert dar.

Abb. 4 Sagittale T2-gewichtete (a) und Postgadolinium-T1-gewichtete Schädel-MRT-Aufnahmen (b). Nachweis einer ca. 5 x 7 cm großen, infratentoriell gelegenen Raumforderung, welche von der Medulla oblongata nicht abzugrenzen ist (Pfeile), den 4. Ventrikel nach kranial verlagert und durch das Foramen magnum zapfenförmig bis in Höhe HWK 2 nach intraspinal vorgewachsen ist. In der T2-Wichtung weist der Tumor ein hyperintenses Signal auf (a). Er zeigt eine deutliche, inhomogene KM-Aufnahme mit zentralen KM- Aussparungen (b). Als Folge der massiven Raumforderungswirkung im Bereich der hinteren Schädelgrube zeigt sich eine deutliche Aufweitung des gesamten supratentoriellen Ventrikelsystems sowie des 4. Ventrikels mit beginnender Liquordiapedese und periventrikulären Signalanhebungen des Marklagers. Nachweis einer Cisterna magna. Durch die nach intraspinal gewachsenen Tumoranteile Aufweitung des Zentralkanals bis in Höhe HWK 7 (nicht abgebildet).

Abb. 5 Axiale T2-gewichtete (a) und Postgadolinium-T1-gewichtete Schädel-MRT-Aufnahmen (b) bei einem Patienten mit Hirnstamm-PA. Im Bereich der dorsalen Medulla oblongata und dem oberen dorsalen Halsmark findet sich eine überwiegend T2-signalangehobene, in den unteren Anteilen links-paramedian überweigend T2-signalarme Raumforderung mit einer apiko-kaudalen Ausdehnung von insgesamt 4,7 cm. Der maximale Transversaldurchmesser beträgt in Höhe des Ausgangs des 4. Ventrikels 1,4 x 1,7 cm. Die T2-signalangehobenen Anteile zeigen nach KM-Gabe ein kräftiges Enhancement, die kaudalen Anteile im oberen Halsmark zeigten dagegen keine Schrankenstörung.

Abb. 6 Axiale FLAIR- (a), koronare T1-gewichtete Postgadolinium- (b) und sagittale CISS-Aufnahmen (c) des Schädels bei einem Patienten mit einem PA des 3. Ventrikels. Nachweis einer umschriebenen Raumforderung im 3. Ventrikel unmittelbar über dem Mesenzephalon, die ein hyperintenses Signal in der FLAIR-Aufnahme respektive fokale Anreicherung (Blut-Hirnschranken-Störung) aufweist. Außerdem deutlich erweitertes, verplumptes Ventrikelsystem mit Liquordiapedesekappen im Sinne einer dekompensierenden Liquorzirkulationsstörung. In der zusätzlich angefertigten sagittalen CISS-Aufnahme zeigt sich ein kräftiges Flow-void am Boden des 3. Ventrikels bei Zustand nach Ventrikulozisternostomie (c).

Abb. 7 Axiale T2-gewichtete (a), native T1-gewichtete (b), DWI- (c) und ADC-Aufnahmen (d) eines Patienten mit Chiasma-PA. Der Tumor weist insgesamt ein hyperintenses T2-Signal auf. Das erhöhte T1-Signal in der nativen Sequenz dürfte Ausdruck einer Einblutung nach Biopsie sein. Es lässt sich keine Diffusionseinschränkung nachweisen (c). Dementsprechend findet man einen erhöhten ADC-Wert (d)

Die diffusionsgewichtete MRT-Bildgebung (DWI) spielt in der Diagnostik und insbesondere bei der Differenzierung von anderen ZNS-Tumoren eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu anderen Hirntumoren zeichnen sich die PAs durch höhere ADC-Werte aus (> 1,5 x 10-3 mm2/s (Abb. [7c], [7d]). Aufgrund der histologischen Heterogenität dieser Tumoren, kann man aus den ADC-Werten prognostische Informationen ableiten (Murakami R, Hirai T, Kitajima H et al. Acta Radiologica 2008; 8: 462-467). So gelten ADC-Werte < 1,0 x 10-3 mm2/s als prognostisch ungünstig und finden sich in der Regel bei Patienten mit einem aggressiverem Tumorverlauf. Der Einsatz der Diffusor-Tensor-Bildgebung (DTI) erscheint sinnvoll für eine akurate präoperative Planung (Abb. [8]). In der MR-Spektroskopie der soliden Tumoranteile findet sich ein erhöhter Cholinspiegel mit einem Verhältnis von 1,8-3,4 zum N-Acetylaspartat (NAA) gegenüber einem Normalwert von 0,5-0,75 gemessen im gesunden Kleinhirngewebe (Hwang J-E, Egnaczyk GF, Ballard E et al. AJNR 1998; 19: 535-540; Sutton LN, Wang Z, Gusnard D et al. Neurosurgery 1992; 31: 195-202). Das Verhältnis zwischen Cholin/Kreatin bzw. Cholin/Laktat kann ebenfalls zugunsten des Ersten pathologisch verschoben sein. Der Laktatanstieg ist in diesen Fällen nicht als Ausdruck der Tumornekrose, sondern des beeinträchtigten mitochondrialen Stoffwechsels zu verstehen.

Abb. 8 DTI bei einem Patienten mit Tumorinfiltration in den rechten Basalganglien bis temporo-basal bzw. rechtspontin reichend durch PA. Die Faserbahn-Darstellung der Pyramidenbahn zeigt auf eine Verlagerung der Fasern durch die zystische Raumforderung deutlich nach medial. Die oberen Anteile der Pyramidenbahn erscheinen verwaschen und sind nicht mehr gut darstellbar, wahrscheinlich bedingt durch ödematöse Veränderungen.

Signalalterationen in der MRT können in seltenen Fällen auf eine spontane Tumorhämorrhagie hindeuten. Über eine Liquoraussaat bei PA wurde bereits in der Fachliteratur mehrfach berichtet, deren prognostische Bedeutung scheint jedoch geringer zu sein im Vergleich zu anderen malignen ZNS-Tumoren.

Die Liste der Differenzialdiagnosen von PA ist lang und eine systematische Herangehensweise erscheint nur unter Berücksichtigung der Tumorlokalisation sinnvoll.So treten zerebelläre PAs im Alter von 5-15 Jahren auf, im Gegensatz zu den Medulloblastomen (PNET-MB), die generell jüngere Patienten (2-6 Jahre) betreffen. Letztere sind wesentlich homogener und niedriger im Signal auf T2-gewichteten Aufnahmen und entstehen am Dach des 4. Ventrikels aus primitiven Zellen neuroepithelialen Ursprungs. Sie füllen in der Regel den 4. Ventrikel auf, sind meistens vorwiegend zystisch mit einem exzentrischen KM-aufnehmenden Knoten. Der KM-aufnehmende Knoten ist typisch für das PA oder beim Erwachsenen für das Hämangioblastom. Beide Tumoren führen mit der Zeit zum Hydrozephalus und Hirnstammkompression. Recht zuverlässig in der Differenzierung erweist sich die DWI mit wesentlich niedrigeren ADC-Werten für PNET-MB. Konträr zu den PAs, wachsen fibrilläre Astrozytome infiltrierend und erstrecken sich oft über die Kleinhirnstiele in den Hirnstamm. Ependymome dagegen sind wesentlich heterogener in ihrer Zusammensetzung und im MRT-Signal und weisen oft Verkalkungen sowie Zeichen abgelaufener Einblutungen auf. Ependymome des Kindesalters gehen häufig vom Boden des 4. Ventrikels aus und wachsen in typischer Weise blumenkohlartig durch die Foramina Luschkae um den Hirnstamm. Nur selten und erst im späteren Alter (< 30 Jahren) treten in dieser Lokalisation Gangliogliome auf. Diese sind ebenfalls heterogen im Signal mit zystischen und soliden Anteilen. Im Gegensatz zu den prognostisch ungünstigen fibrillären, diffus wachsenden Gliomen, die bevorzugt ventral in der Brücke wachsen und häufig schon früh Abducens-Parese aufweisen, entstehen die Hirnstamm-PAs außerhalb des ventralen Pons und neigen zum exophytischen Wachstum.

Hypothalamische PAs und Kraniopharingiome sind die häufigsten suprasellären kindlichen Tumoren und weisen große Ähnlichkeit auf. Letztere befinden sich jedoch extra-axial. Eine Arosion des Sulcus chiasmaticus favorisiert eine Raumforderung, die im Chiasma entstanden ist, während ein Tumor mit vorwiegend retrosellärer Ausdehnung in die Fossa interpeduncularis charakteristisch für ein Kraniophariongiom ist. Im Gegensatz zu Hypothalamus-Hamartomen, die hypointens zum benachbarten Hirnparenchym erscheinen und kein KM aufnehmen, verhalten sich PAs wie in anderen Lokalisationen typisch mit kräftigem Enhancement. Noch seltener sind Chordoid-Gliome, die homogen Kontrastmittel aufnehmen. Keimzelltumoren (KZT) sowie maligne Rhabdoid-Tumoren gehören mit zu den Differenzialdiagnosen in dieser Lokalisation. Die Wasserdiffusion von KZT erweist sich in der Regel als eingeschränkt, was hilfreich in der Differenzierung von PAs ist.

In der Pinealis-Region stellen Pineoblastome und KZT die wichtigsten Differenzialdiagnosen im pädiatrischen Kollektiv dar. Eine exzentrische Lokalisation sowie ein hohes T2-Signal sprechen eher für die PAs.

PAs des N. opticus können sporadisch oder viel häufiger im Rahmen einer Neurofibromatose Typ 1 (NF1) auftreten. Eine Optikus-Elongation, Verdickung, Kinking sowie abnormes Enhancement sind typisch. Die Bilateralität ist spezifisch für die NF1. Meningeome sowie die Neuritis Nervi optici sind die häufigsten Differenzialdiagnosen.

Die Prognose ist vergleichsweise sehr gut mit einer 10-Jahres-Überlebensrate von 94 %. Die Lokalisation des PA beeinflusst die Prognose mit dem ungünstigsten Verlauf bei Optikus-Gliom mit hypothalamischer Beteiligung.

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