Z Gastroenterol 2014; 52(10): 1151-1152
DOI: 10.1055/s-0034-1385336
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Revolution in der Therapie der Hepatitis C – wie kommt man mit den Leitlinien hinterher?

P. Lynen Jansen
1   Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Berlin
,
I. Kopp
2   AWMF Institut für Medizinisches Wissensmanagement (IMWI), Philipps-Universität Marburg
,
M. Nothacker
2   AWMF Institut für Medizinisches Wissensmanagement (IMWI), Philipps-Universität Marburg
,
S. Zeuzem
3   Medizinische Klinik 1, Klinikum der Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
14 October 2014 (online)

Die Therapie der Hepatitis C unterliegt aktuell einem raschen Wandel. Bis 2011 war die Standardtherapie von Patienten mit chronischer Hepatitis C über zwei Dekaden die Gabe von (pegyliertem) Interferon-α und Ribavirin. Die 2004 publizierte S3-Leitlinie zur „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion“ wurde 2010 regulär überarbeitet [1] [2]. Im Therapie-Kapitel wurden in dem Update aufgrund fehlender Neuzulassungen keine neuen Medikamente besprochen, lediglich die Empfehlungen zur Therapiedauer der Standardtherapie nach HCV Genotyp, Ausgangsviruslast und initialem virologischen Ansprechen stärker individualisiert.

Die ersten direkt gegen das Hepatitis-C-Virus aktiven NS3/4A-Protease-Inhibitoren Boceprevir und Telaprevir kamen im Juli bzw. September 2011 auf den europäischen Markt. Bei unvorbehandelten HCV-Genotyp-1-infizierten Patienten wurden die dauerhaften Heilungsraten im Hinblick auf das virusfreie Überleben (SVR, sustained virologic response) mit der Tripeltherapie Peginterferon, Ribavirin plus Protease-Inhibitor um etwa 30 % gegenüber der Dualtherapie Peginterferon und Ribavirin verbessert [3] [4]. Die Tripeltherapie wurde für HCV-Genotyp-1-infizierte Patienten mit der Zulassung zur neuen Standardtherapie. Eine Gruppe deutscher und österreichischer Hepatologen fasste die Empfehlungen zur Tripeltherapie zusammen und publizierte sie als eine „Expert Opinion“ im Januar 2012 [5]. Gleichzeitig begann 2012 die Aktualisierung der S3-Leitlinie, deren Gültigkeit gerade auslief. In der Konsensuskonferenz im Januar 2013 wurden die zu diesem Datum gültigen Therapieempfehlungen in die Leitlinie aufgenommen, aufgrund sich abzeichnender weiterer Entwicklungen in der medikamentösen Therapie der Hepatitis C jedoch nicht publiziert.

In rascher Folge wurden 2014 weitere direkt antiviral wirksame Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C zugelassen: Sofosbuvir im Januar, Simeprevir im Mai und Daclatasvir im August. Während nach der Zulassung von Sofosbuvir noch getrennte Empfehlungen sowohl des Berufsverbands Niedergelassener Gastroenterologen (BNG) als auch einer Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten publiziert wurden, wurden diese Aktivitäten mit der Zulassung von Simeprevir koordiniert und die Empfehlungen gemeinsam publiziert [6]. In Absprache mit der Arbeitsgemeinschaft Medizinisch-Wissenschaftlicher Fachgesellschaften (AWMF) wurden die Therapieempfehlungen nach der Zulassung von Daclatasvir bzgl. Literaturrecherche und Evidenzbewertung methodisch weiterentwickelt, sodass die jetzt publizierten Empfehlungen durch alle an der S3-Leitlinie beteiligten Fachgesellschaften und die Selbsthilfegruppe „Deutsche Leberhilfe e. V.“ autorisiert (per schriftliche Anfrage) und durch die AWMF als S3-Leitlinienergänzung anerkannt wurde [7].

Das Vorgehen bei der letzten Version der Therapieempfehlungen zur Behandlung der Hepatitis C besitzt Modellcharakter für eine zeitnahe und rasche Aktualisierung einer Leitlinie unter Einbehaltung notwendiger methodischer Voraussetzungen. Die Aktualität von Leitlinien ist bezüglich Diagnostik und insbesondere Therapie unverzichtbar. Im Falle rascher Veränderungen in einem Gebiet ist der reguläre Ablauf einer Leitlinienentwicklung zeitlich nicht sinnvoll darstellbar (durchschnittliche Dauer des Verfahrens 24 Monate). Die Ernennung einer kleinen Expertengruppe durch die beteiligten Fachgesellschaften oder ggf. auch die Wahl einer solchen Expertengruppe durch alle Mitglieder einer Leitlinie zeigt einen Weg auf, während der Gültigkeit einer Leitlinie spezifische Änderungen sehr kurzfristig gestalten zu können. Für Leitlinien, in deren Gebiet regelmäßig Änderungen von hoher klinischer Bedeutung auftreten, können entsprechend diesem Vorgehen durch kleine, bereits zum Zeitpunkt der Fertigstellung der der Leitlinie gewählte Expertengruppen rasch punktuelle Aktualisierungen vorgenommen werden. Als Voraussetzungen der Anerkennung eines Amendement wird folgendes Vorgehen empfohlen:

  • Information der Leitliniengruppe, der Fachgesellschaften und der AWMF über die Hintergründe und die Notwendigkeit einer kurzfristigen Leitlinienänderung

  • Erarbeitung eines Änderungsvorschlages durch die berufene Expertengruppe mit Vertretern aller beteiligter Organisationen

  • Im Falle von S3-Leitlinien Nachweis einer systematischen Literaturrecherche beginnend zum Zeitpunkt der letzten Aktualisierung, Evidenzbewertung und Beschreibung der zugrunde liegenden Studientypen

  • Information und formale schriftliche Abstimmung der Fachgesellschaften über den Änderungsvorschlag. Erzielen eines Konsens entsprechend des AWMF Regelwerkes. Methodische Prüfung durch die AWMF

  • Publikation des Amendments (Zeit bis zur Änderung 1 – 3 Monate)

Für die S3-Leitlinie Hepatitis C muss die Expertengruppe die Therapieempfehlungen in den kommenden Monaten noch zweimal re-evaluieren und neu formulieren: im November 2014 mit der Zulassung der Kombinationstherapie Sofosbuvir/Ledipasvir und im Januar 2015 mit der Zulassung der Kombinationstherapie Paritaprevir (Ritonavir-geboostet), Ombitasvir plus Dasabuvir (± Ribavirin). Den Beginn einer kompletten Überarbeitung der gesamten S3-Leitlinie plant die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten für das zweite Quartal 2015.

 
  • Literatur

  • 1 Fleig WE, Krummenerl P, Lesske J et al. Diagnosis, progression and therapy of hepatitis C virus infection as well as viral infection in children and adolescents--results of an evidenced based consensus conference of the German Society for Alimentary Metabolic Disorders and and in cooperation with the Hepatitis Competence Network. Z Gastroenterol 2004; 42: 703-704 ; published online Epub DOI: 10.1055/s-2004-813441.
  • 2 Sarrazin C, Berg T, Ross RS et al. Prophylaxis, diagnosis and therapy of hepatitis C virus (HCV) infection: the German guidelines on the management of HCV infection. Z Gastroenterol 2010; 48: 289-351
  • 3 Poordad F, McCone Jr J, Bacon BR et al. Boceprevir for untreated chronic HCV genotype 1 infection. N Engl J Med 2011; 364: 1195-1206 ; published online Epub DOI: 10.1056/NEJMoa1010494.
  • 4 Jacobson IM, McHutchison JG, Dusheiko G et al. Telaprevir for previously untreated chronic hepatitis C virus infection. N Engl J Med 2011; 364: 2405-2416 ; published online Epub DOI: 10.1056/NEJMoa1012912.
  • 5 Sarrazin C, Berg T, Cornberg M et al. Expert opinion on boceprevir- and telaprevir-based triple therapies of chronic hepatitis C. Z Gastroenterol 2012; 50: 57-72 ; published online Epub DOI: 10.1055/s-0031-1282015.
  • 6 Aktuelle Empfehlungen der DGVS zur Therapie der chronischen Hepatitis C. Z Gastroenterol 2014; 52: 0389-0389a ; published online Epub DOI: 10.1055/s-0033-1362436.
  • 7 Sarrazin C, Berg T, Buggisch P et al. Therapie der chronischen Hepatitis C.Addendum zur S3 Leitlinie. 2014 www.dgvs.de