Laryngorhinootologie 2008; 87(3): 190-191
DOI: 10.1055/s-2007-967006
Gutachten + Recht

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Aus der Gutachtenpraxis: Zystenbildung im Unterkieferbereich nach Septorhinoplastik mit Kinnaugmentation, Behandlungsfehler?

From the Expert's Office: Mandibula Cyst Formation after Septorhinoplasty: Medical Fault?T.  Brusis1
  • 1Institut für Begutachtung, Köln
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Publication Date:
06 March 2008 (online)

Einleitung

S. S., 25 Jahre, männlich

Der zum Zeitpunkt der Operation 18-Jährige litt unter einer ausgeprägten knorpelig-knöchernen Höckerlangnase und gleichzeitig unter einem fliehenden Kinn. Er wandte sich an einen Facharzt für Chirurgie, der den großen knöchern-knorpeligen Nasenhöcker im Rahmen einer geschlossenen Nasenoperation abtrug und diesen zum Ausgleich der Hypogenie in einer Hauttasche vor die Unterkieferspitze transplantierte. Der postoperative Verlauf war komplikationslos, und auch das postoperative kosmetische Ergebnis stellte den Patienten durchaus zufrieden.

Fünfeinhalb Jahre später trat am Kinn eine rechtsbetonte, äußerst schmerzhafte Schwellung auf, die den Patienten erneut zu dem Operateur führte. Dieser banalisierte den Befund, verzichtete auf radiologische Untersuchungen und empfahl eine lokale konservative Behandlung. Da die Schwellung als sehr schmerzhaft empfunden wurde und der Patient bei dem Operateur keine Hilfe erfuhr, begab er sich in die MKG-Klinik einer Universität. Das dort durchgeführte Orthopantomogramm zeigte eine Knochenzyste mit sklerosiertem Raum, rechts median ([Abb. 1]).

Abb. 1 Knochenzyste im Kinnbereich des Unterkiefers mit sklerosiertem Saum.

Es waren anschließend mehrere Operationen notwendig, um den zystischen Prozess, der sich im Bereich des Kinnimplantates gebildet hatte, zur Ausheilung zu bringen. Die histopathologische Untersuchung des entnommenen Materials ergab das Vorliegen einer bzw. mehrerer Zysten mit Auskleidung durch respiratorisches Epithel, an dem zum Teil noch Knorpelanteile nachgewiesen werden konnten. Aufgrund der Zystenbildung und operativen Behandlung war ein so großer Defekt entstanden, dass dieser mit Beckenkammspongiosa aufgefüllt werden musste. Dabei wurde ein so großes Knochenstück gewählt, dass die Hypogenie auch kosmetisch zufriedenstellend ausgeglichen werden konnte.

Da im Rahmen der Nasenoperation und Kinnaugmentation Gewebe vom Nasengerüst in den Bereich des Kinns transplantiert wurde, bestand nach Ansicht des Klägers ein Zusammenhang zwischen der durchgeführten Operation und der Jahre später aufgetretenen Zyste. Ein weiterer Behandlungsfehler wurde auch in der Tatsache gesehen, dass der Erstoperateur die Ursächlichkeit der Operation abstritt und nicht sofort eine operative Revision vornahm bzw. den Kläger nicht unverzüglich in entsprechende Fachbehandlung überwies.

In der Akte lag bereits ein kieferchirurgisches Gutachten vor, welches sich ausführlich mit den operativen Techniken und dem Vorgehen des Beklagten befasste. Dazu hieß es, dass die vom Beklagten gewählte Technik weitestgehend den in der Literatur beschriebenen Verfahren entsprochen hätte und somit auch nicht zu beanstanden sei. Bereits 1934 sei aber in einem Lehrbuch darauf hingewiesen worden, dass bei Verwendung des Nasenknochens zum Kinnaufbau bei der Transplantation von Knochen oder Knorpel aus der Nase Nasenschleimhautepithel mit entnommen und transplantiert werden könnte. Es sei hier und in allen weiteren Veröffentlichungen empfohlen worden, den Knochen bzw. Knorpel sorgfältig von anhängendem Weichteilgewebe zu lösen. In einer weiteren Veröffentlichung sei explizit die Entfernung unter dem Mikroskop angeraten worden.

Offensichtlich habe aber der Kläger das von ihm entnommene Teil des Nasenskelettes hinsichtlich möglicherweise anhaftender Nasenschleimhautteile nicht kontrolliert, da sich im OP-Bericht, der ohnehin sehr knapp gehalten war, kein Hinweis darauf finden ließ. Da es sich bei den operativen Eingriff um eine rein kosmetische Operation gehandelt hatte und nicht um einen Eingriff aufgrund einer vitalen Bedrohung, sei eine besondere Sorgfalt im Rahmen der präoperativen Aufklärung und des operativen Vorgehens oberstes Gebot.

Der Beklagte wandte ein, dass bis 1996 (Operationszeitpunkt) keine Komplikationen aufgrund einer Implantation von Nasenanteilen im Kinnbereich bekannt gewesen seien, da darüber angeblich keine Veröffentlichungen vorhanden waren. Außerdem trug er vor, dass er mit ausreichender Sorgfalt gearbeitet habe.

Prof. Dr. med. T. Brusis

Institut für Begutachtung

Dürener Straße 199 - 203

50931 Köln

Email: prof-brusis@t-online.de

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