Fortschr Neurol Psychiatr 1996; 64(7): 250-260
DOI: 10.1055/s-2007-996393
ORIGINALARBEIT

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die manierierte Katatonie

Eine durch Psychopharmaka in ihrem chronisch progredienten Verlauf nicht beeinflußbare ErkrankungManneristic CatatoniaG.  Stöber1 , G.  Jungkunz2 , E.  Franzek1 , H.  Beckmann1
  • 1Psychiatrische Klinik mit Poliklinik der Universität Würzburg
  • 2Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie des Bezirks Unterfranken Lohr / a. M.
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Publication Date:
10 January 2008 (online)

Abstract

Manneristic catatonia, one form of Leonhard's systematic schizophrenias, is illustrated in nine case notes. The essential syndrome of this rare disorder (described by Leonhard in the preneuroleptic era) consisted in mannerisms and progressive stiffness of psychomotor activity. Mannerisms often developed from obsessive and compulsive ideas; whereas distress disappeared, repetitive behaviour developed into a stereotype. Complex movements (e. g. not to shake hands; mutism) became mannerisms. With disease progression stiffness of facial expression and gestures and an impairment of voluntary motor activity became increasingly prominent. There were no signs of (neuroleptic-induced) parkinsonism. Manneristic catatonia affects preponderantly men and exhibits an early age of onset (median: 23 years). In none of the cases a family history of psychiatric illness was noted. Severe obstetric and birth complications as well as the high prevalence of supratentorial and cerebellar CT / MR abnormalities in this patient group point to deviations of prenatal brain maturation. The median yearly dose of neuroleptics was 83.1 g chlorpromazine equivalents. The characteristic psychopathology was not essentially influenced by modern psychopharmacological treatment neither in the beginning nor in the long run irrespective of the time of onset of the disease. Continuous high-dose neuroleptic treatment is not efficacious in this distinct group of systematic schizophrenias. Behavioural training in a rehabilitation unit is the treatment of choice from the early beginning.

Zusammenfassung

Die manierierte Katatonie, eine Form der systematischen Katatonien Leonhards, wird anhand von neun Kasuistiken dargestellt. Im Zentrum des seltenen Krankheitsbildes standen Manieren und eine Erstarrung der Psychomotorik. Die Manieren entwickelten sich oft aus Zwangshandlungen oder phobischen Vermeidungen. Während der ängstliche Affekt sich rasch verlor, traten Unterlassungs- und Bewegungsmanieren immer mehr in den Vordergrund. Komplexe Handlungsabläufe wurden durch ihre ständige Wiederholung zunehmend stereotyp und automatisiert. Neben dem mimischen und gestischen Ausdruck wurden auch die Reaktivbewegungen von einer zunehmenden Steifigkeit ergriffen. Es bestand kein (neuroleptisch-bedingter) Parkinsonismus. Der Erkrankungsbeginn bei manierierter Katatonie ist früh (Median: 23 Jahre). Es sind überwiegend Männer betroffen. In keinem der Fälle fand sich eine familiäre Belastung mit Psychosen. Schwere Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie die Häufung von CT / MR-Auffälligkeiten in supratentoriellen und zerebellären Bereichen in dieser Patientengruppe weisen auf frühe Entwicklungsstörungen des ZNS bereits in der Pränatalzeit hin. Im Durchschnitt erhielten die Patienten 83.1 g Chlorpromazinäquivalente pro Jahr. Durch eine moderne Psychopharmakotherapie war die charakteristische Psychopathologie der manierierten Katatonie sowohl in frühen Krankheitsstadien als auch im Längsverlauf, unabhängig vom Zeitraum des Krankheitsbeginns, nicht wesentlich zu beeinflussen. Ganz im Vordergrund der Therapie steht von Beginn an eine intensive rehabilitative Soziotherapie, insbesondere das kontinuierliche Beüben mit sozial positiven und sinnvollen Betätigungen.

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