ZUSAMMENFASSUNG
Zur funktionellen Neuroanatomie der Depression gehört schon lange die Einsicht, dass
es kein „Depressionszentrum“ gibt, sondern vielmehr Bereiche von grauer Substanz (kortikale
Areale und subkortikale Kerne), die durch Nervenfaserbündel verbunden sind und daher
oft als „Netzwerke“ oder „Schaltkreise“ bezeichnet werden. In den letzten Jahrzehnten
ist es besonders durch die funktionelle Bildgebung möglich geworden, diese Netzwerke
sowohl bei gesunden Probanden als auch bei Patienten mit Depression darzustellen,
und Änderungen in der funktionellen Verknüpfung der Netzwerke zu identifizieren, die
im Zusammenhang mit der Psychopathologie stehen. Vor diesem Hintergrund ist auch das
Verständnis gewachsen, wie Hirnstimulationsverfahren wie die tiefe Hirnstimulation
(THS) oder die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) durch Modulation
der Netzwerkfunktion ihre therapeutische Wirkung entfalten. In einem Rückblick wird
die Entwicklung der funktionellen Bildgebung sowie der Hirnstimulationsverfahren nachgezeichnet
und es werden aktuelle Entwicklungen des Einsatzes dieser Verfahren erörtert. Neuere
Studien zur rTMS-Behandlung postulieren, dass der optimale Stimulationsort in Abhängigkeit
von der psychopathologischen Ausprägung der Depression ausgewählt werden kann, unter
Berücksichtigung der veränderten Konnektivität. Im Bereich der THS ist ein Fallbericht
erschienen, in dem zunächst ein Mapping mit 10 implantierten Elektroden durchgeführt
wurde. Verschiedene Stimulationsorte haben zu reproduzierbaren instantanen Veränderungen
der Psychopathologie geführt. Die Patientin ist nun mit einer Closed-loop-Stimulation
chronisch versorgt, die über Aktivität der rechten Amygdala geregelt wird.
ABSTRACT
In contrast to older concepts of a „depression center“ in the brain, the current view
of functional anatomy of major depression comprises distributed parts of cortical
and subcortical grey matter, connected by fibers, constituting so called networks,
circuits, or loops, respectively. These networks can be measured by means of functional
imaging in healthy subjects, as well as in depressed patients, yielding differences
in connectivity related to psychopathology. In the light of this background, a more
rational understanding of the therapeutic action of deep brain stimulation (DBS) as
well as transcranial magnetic stimulation (rTMS) appears possible. The concurrent
development of functional imaging and brain stimulation techniques is reviewed and
translational applications are discussed. In recent rTMS treatment studies it is postulated
that an optimal stimulation site can be chosen, dependent upon patterns of psychopathology
and specific changes in connectivity. As regards THS, a case report has been published
recently demonstrating a mapping procedure based on 10 implanted electrodes. Different
stimulation sites resulted in immediate, reproducible positive changes of mood. This
patient is now doing well for several months through treatment with closed-loop stimulation
controlled by activity of the right amygdala.
Schlüsselwörter Depression - Netzwerke - Schaltkreise - Magnetstimulation - tiefe Hirnstimulation
- Stimulationsorte - funktionelle Konnektivität
Key words Major depression - networks - loops - magnetic stimulation - deep brain stimulation
- stimulation sites - functional connectivity