Zusammenfassung
Hintergrund und Fragestellung | Auch sechs Jahre nach dem im Jahr 2009 in Kraft getretenen „Dritten Gesetz zur Änderung
des Betreuungsrechts“ wird die Patientenverfügung weiterhin kontrovers diskutiert.
Die vorliegende Studie zeigt erstmals deutschlandweit die Sichtweisen leitender Intensivmediziner
zur Umsetzung von Patientenverfügungen sowie ihre Erfahrungen zu diesbezüglichen ethischen
Herausforderungen.
Methode | Es erfolgte eine standardisierte, schriftliche Befragung aller deutschen Kliniken
mit mehr als 300 Betten und einer anästhesiologisch geführten Intensivstation mittels
eines auf den Ergebnissen einer qualitativen Vorstudie basierenden Fragebogens. Dieser
richtete sich an einen leitenden Intensivmediziner pro Klinik.
Ergebnisse | Der Fragebogen wurde von 222/299 Ärzten beantwortet (Rücklaufquote: 74,2 %). Trotz
einer Vielzahl geäußerter Probleme im Umgang mit Patientenverfügungen wird diese von
70,6 % (n = 154/218) der Intensivmediziner generell als hilfreich empfunden. 86,5
% (n = 185/214) der Befragten wünschen sich mehr therapiezielorientierte als maßnahmenorientierte
Patientenverfügungen. Zudem plädieren 95,9 % (n = 207/216) für eine qualifizierte
fachliche Beratung zu intensivmedizinischen Inhalten. In Bezug auf einen Behandlungsabbruch
ist eine Akzeptanz des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten sichtbar. Finale Extubation
gemäß dem Patientenwillen wird in 79,4 % (n = 173/218) der Kliniken durchgeführt;
den Vorgang der finalen Extubation erleben 54,8 % (n = 113/206) der Ärzte als belastend.
Diskussion | Zukünftig sind geeignete unterstützende Konzepte und Maßnahmen zur Erstellung aussagekräftiger
Patientenverfügungen und zu einer wirksamen Umsetzung im intensivmedizinischen Alltag
notwendig.
Abstract
Introduction: Six years after introduction of a law for advance directives (AD) in
2009, AD are still discussed controversially. For the first time in Germany, this
study investigates intensive care physicians‘ perspectives on implementation of AD,
and corresponding experience of ethical issues.
Methods: A standardized questionnaire was sent to German hospitals with > 300 beds
and anesthesiologist-led intensive care units. The questionnaire was based on results
of a previous qualitative study and was intended to be answered by one leading intensive
care physician per hospital.
Results: N = 222/299 (74.2 % response) physicians answered the survey. Despite a number
of reported problems regarding the implementation of AD, 70.6 % (n = 154/218) rated
AD generally as helpful. 86.5 % (n = 185/214) would prefer a more goal-oriented approach
to an intervention-oriented approach to formulate AD. Furthermore 95.9 % (n = 207/216)
plead for qualified professional counseling for intensive care topics in AD. Acceptance
for interventions that equal termination of treatment can be perceived. Terminal extubation
in correspondence with the patient‘s will is done in 79.4 % (n = 173/218) of hospitals,
however 54.8 % (n = 113/206) of the physicians experience terminal extubations as
burdening.
Discussion: Supporting concepts and measures will be necessary in order to prepare
valid AD and to effectively improve implementation in intensive care practice.
Schlüsselwörter
Patientenverfügung - gesundheitliche Vorausplanung - Sterbehilfe - Therapiebegrenzung
- Entscheidungen am Lebensende
Keywords
advance directives - advance care planning - euthanasia, passive - withholding treatment
- decision making