Intensivmedizin up2date 2017; 13(03): 291-307
DOI: 10.1055/s-0043-110651
Operative Intensivmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Patient Blood Management in der Intensivmedizin

Authors

  • Patrick Meybohm

  • Suma Choorapoikayil

  • Kai Zacharowski

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Publication History

Publication Date:
06 September 2017 (online)

Die Anämie zählt in der Intensivmedizin zu den am häufigsten gestellten Diagnosen. Patient Blood Management (PBM) ist ein individuelles Behandlungskonzept, das auf Reduktion von Anämie, Vermeidung unnötiger Blutverluste und einen rationalen Einsatz von Blutprodukten zielt. In der Intensivmedizin führt PBM zu einer Optimierung patienteneigener Ressourcen durch die Minimierung diagnostischer und therapeutischer Blutverluste und ein intensiviertes Gerinnungsmanagement.

Kernaussagen
  • Die erfolgreiche Umsetzung des Konzeptes Patient Blood Management schont und stärkt patienteneigene Ressourcen, verringert unnötige Blutverluste und reduziert den Transfusionsbedarf allogener Blutprodukte. Damit werden das Outcome der Patienten verbessert, die Patientensicherheit gesteigert und Kosten reduziert.

  • Die Anämie zählt in der Intensivmedizin zu den am häufigsten gestellten Diagnosen.

  • Eine Anämie, auch bereits in milder Form, ist als eigenständiger und unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Komplikationen und einer erhöhten Sterblichkeit einzustufen.

  • Prinzipiell sollte jede Anämie– nach Möglichkeit – abgeklärt werden; nicht dringliche Eingriffe sollten bis zum Abschluss der entsprechenden Anämiebehandlung verschoben werden. Die Intensivmedizin fängt bei chirurgischen Risikopatienten mit geplantem Intensivstationsaufenthalt quasi bereits präoperativ an.

  • Der Einsatz von parenteralem Eisen und/oder Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESA) ist bei speziellen Intensivpatientengruppen sinnvoll, vor allem bei Patienten mit nachgewiesenem Eisenmangel, Ablehnung allogener Blutprodukte (Zeugen Jehovas), Patienten mit seltener Blutgruppe und/oder relevanten Antikörpern sowie bei renaler Anämie.

  • Ein wesentliches Element von Patient Blood Management (PBM) auf der Intensivstation ist die Prävention und Minimierung von unnötigen Blutverlusten, die beispielsweise im Rahmen der täglichen Laboranalytik entstehen. Dies kann z. B. gelingen durch

    • Verwendung geschlossener Druckaufnehmersysteme,

    • Reduktion der Anzahl der Blutentnahmen auf das notwendige Minimum,

    • Nutzung kleinerer Monovetten oder Monovetten mit geringerem Füllvolumen.

  • Blutprodukte sollten prinzipiell basierend auf der Querschnitts-Leitlinie der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten eingesetzt werden. Um ein individualisiertes, an der klinischen Symptomatik des Patienten ausgerichtetes Vorgehen zu ermöglichen, sollte die Indikation zusätzlich patientenspezifische Faktoren, Laborwerte, die Anwesenheit oder Abwesenheit von Koagulopathie sowie physiologische Faktoren berücksichtigen.

  • Vor allem bei Intensivpatienten kann ein EDV-gestütztes Anforderungssystem mit integriertem Behandlungs- und Entscheidungsalgorithmus (z. B. Anzeigen von Laborergebnissen oder Warnhinweisen) von Vorteil sein, um in der Praxis eine rationale, leitlinienorientierte Transfusionsstrategie zu etablieren.

  • Die Pathophysiologie von Blutungen auf der Intensivstation ist multifaktoriell und beinhaltet u. a. (Hyper-)Fibrinolyse, Medikation mit Antikoagulanzien, Dilution, Volumenverschiebungen und Hypothermie. Um unnötige Blutverluste aber zu minimieren, ist ein adäquates Gerinnungsmanagement erforderlich:

    • chirurgische Blutstillung,

    • personalisierte Hämostase,

    • Einhaltung physiologischer Faktoren,

    • algorithmusbasierte Anwendung von Point-of-Care und

    • Hämotherapie.