Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 43(2): 134-143
DOI: 10.1055/s-2008-1060547
Fachwissen
Topthema: Prämedikation
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Charakteristika und Auswahl der Substanzen

The preoperative medication: Background and specific indications for the selection of the drugsJens Broscheit, Peter Kranke
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 February 2008 (online)

Preview

Zusammenfassung

Vor einer Operation sind Patienten in hohem Maße Stress und innerer Anspannung ausgesetzt. Eine präoperative Medikation (Prämedikation) ist darauf abgestimmt, diesen Stress durch Anxiolyse und Sedierung reduzieren. Hierfür werden aufgrund ihrer guten anxiolytischen Wirkung, einer exzellenten Verträglichkeit und nur weniger Kontraindikationen am häufigsten Benzodiazepine eingesetzt. Zur Unterstützung des Ein– und Durchschlafens beginnt die Prämedikation in der Regel am Vorabend mit der Einnahme eines mittellang– oder langwirksamen Benzodiazepins. Das Standardmedikament für den Operationstag ist das kurzwirksame Benzodiazepin Midazolam, unter dessen Wirkung der Patient angstfrei und schläfrig in den Operationstrakt eingeschleust werden kann. Die Wirkung der zur präoperativen Medikation eingesetzten Medikamente beginnt verzögert. Daher ist es von großer Bedeutung die Prämedikation zum richtigen Zeitpunkt zu verabreichen, damit der Patient auch tatsächlich im Wirkoptimum der applizierten Substanz gegen den präoperativen Stress abgeschirmt wird. Obgleich Midazolam nicht für alle Situationen die ideale anxiolytische Prämedikationssubstanz am Operationstag ist, konnte mit Ausnahme von einigen speziellen Indikationen in Vergleichsuntersuchungen für andere Substanzen bisher kein entscheidender Vorteil aufgezeigt werden

Abstract

Prior to an operation, patients experience a high degree of stress and internal tension. Preoperative drug administration (premedication) is intended to reduce these stresses through anxiolytic and sedative effects. On account of their good anxiolytic actions, there excellent tolerability and only few side effects benzodiazepines are most frequently used for this purpose. To support the induction and continuation of sleep, premedication is usually initiated in the evening before operation with the administration of a benzodiazepine with middle– or long–term activity. The standard drug for the day of operation is the short–acting benzodiazepine midazolam, under the action of which the patient may be transferred to the operation room in a drowsy and calm state. The onset of action of drugs applied as preoperative medication is delayed. Thus, it is of major importance that the premedication be administered at the appropriate time point so that the patient really is shielded fro preoperative stress at the time of the drug's optimal effect. Although midazolam is not the ideal substance for all situations where an anxiolytic premedication is needed, with the exception of a few special indications, no decisive advantages over other drugs have been demonstrated in comparative trials.

Kernaussagen

  • Im Rahmen der routinemäßigen präoperativen Medikation (Prämedikation) sind insbesondere eine Reduktion von Angst und Stress erwünscht.

  • Benzodiazepine sind aufgrund ihrer anxiolytischen Wirkung und ihrer guten Verträglichkeit die Standardsubstanzen für die Prämedikation.

  • Die orale Medikation gilt heute beim erwachsenen Patienten als Goldstandard der Prämedikation.

  • Auch bei ambulanten Patienten muss grundsätzlich das Bedürfnis nach Anxiolyse und milder Sedierung unterstellt werden.

  • Die verfügbaren Benzodiazepine wirken qualitativ ähnlich.

  • Die Wahl des Benzodiazepins ergibt sich aus der Halbwertszeit sowie dem Abbauweg unter Umgehung des Phase–I–Stoffwechsels (keine wesentliche Einschränkung bei Leberinsuffizienz).

  • In der Regel werden zur vorabendlichen Prämedikation mittellang– und langwirksame Benzodiazepine eingesetzt (Ein– und Durchschlafförderung).

  • Am OP–Tag ist Midazolam aufgrund des raschen Wirkeintritts und der kurzen Wirkdauer das Standardmedikament zur Prämedikation.

  • Anwendungsbeschränkungen für Benzodiazepine ergeben sich unter anderem bei bestehendem Schlaf–Apnoe–Syndrom und bei Einschränkung der neuromuskulären Funktion (z.B. Myasthenia gravis).

  • Neuroleptika müssen aufgrund der weitgehend fehlenden anxiolytischen Wirkung als Reservemedikamente angesehen werden.

  • Kinder erhalten Midazolam vowiegend rektal.

  • Um den Patienten effektiv gegen präoperativen Stress abzuschirmen, muss Midazolam zum richtigen Zeitpunkt gegeben werden (enges Zeitfenster für das Wirkoptimum).

  • Um Überdosierungen zu vermeiden, ist bei alten Patienten häufig eine Dosisreduktion oder Titration („Start low – go slow”) der Substanzen angezeigt.

  • Obgleich das Themengebiet „Prämedikation” kaum mehr als problematisches Thema angesehen wird, ist eine Substanz mit einem Wirkprofil, das allen Anforderungen gerecht wird, derzeit nicht verfügbar.

Literaturverzeichnis

Dr. med. Jens Broscheit
PD Dr. med. Peter Kranke

Email: broscheit_j@klinik.uni-wuerzburg.de

Email: kranke_p@klinik.uni-wuerzburg.de