Diabetes aktuell 2018; 16(03): 91
DOI: 10.1055/a-0495-8564
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Epigenetik und Diabetes

Antje Bergmann
,
Peter E.H. Schwarz
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Publication Date:
26 June 2018 (online)

Forscher des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg untersuchten epigenetische Aspekte bei Diabetes.

Was ist „Epigenetik“? Diese Wissenschaft untersucht Faktoren für Genaktivierungen, die nicht durch Mutation oder Rekombination hervorgerufen werden. Die epigenetischen Veränderungen sind in ihrer Bedeutung viel durchgreifender als Mutationen.

Die Freiburger Wissenschaftler haben untersucht, welche Belastungen des Zellstoffwechsels und welche Faktoren für einen „Zusammenbruch epigenetischer Barrieren für die Rückentwicklung in funktionsuntüchtige Vorläuferzellen entscheidend“ sind.

Damit wurde die langjährige These widerlegt, dass insulinproduzierende Betazellen einfach nur absterben und dadurch weniger bzw. kein Insulin ausgeschüttet wird. Es konnte festgestellt werden, dass sich Betazellen in einen anderen Zelltyp verwandeln. Diesen Prozess nennt man Dedifferenzierung. Die dedifferenzierten Zellen wandeln sich zu Vorläuferzellen um, die keine speziellen Eigenschaften haben, also beispielsweise kein Insulin mehr produzieren können.

Welche Auswirkungen haben diese Erkenntnisse möglicherweise auf Diagnostik und Therapie des Diabetes?

Andrew Pospisilik aus dem Freiburger Team beschreibt dies folgendermaßen: „Belastungen des Zellstoffwechsels wurden stets als primärer Auslöser der Dedifferenzierung angesehen. Aber in unserer Studie können wir zeigen, dass ein zweiter Hebel ebenso bedeutend ist: der Zusammenbruch epigenetischer Barrieren, die normalerweise die Identität der Betazelle stabilisieren. Es scheinen also 2 unabhängige krankmachende Mechanismen erforderlich zu sein. Die Zellen brauchen daher solide Sicherheitsbarrieren, um dauerhaft ihre Identität und Funktion aufrechtzuerhalten.“

Das Freiburger Forscherteam konnte bei Gesunden und bei Betazellen von Diabeteserkrankten 25 verschiedenen Chromatin-Typen spezifizieren, welche mit einer Betazelldysfunktion einhergehen. Für die Entwicklung des Diabetes müssen sowohl metabolischer Stress als auch epigenetische Faktoren vorliegen.

Diese neuesten Forschungsergebnisse sind ein weiterer Baustein in der komplexen und multifaktoriellen Entstehung des Diabetes und werden in der nahen Zukunft möglicherweise zu innovativen, medikamentenunabhängigen Therapieansätzen führen.

Bleiben wir gespannt, wie diese experimentellen Forschungsergebnisse in der Praxis ankommen.

Ihre A. Bergmann und P. Schwarz