Der Klinikarzt 2018; 47(03): 49
DOI: 10.1055/a-0572-1239
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wie sieht der Kongress der Zukunft aus?

Achim Weizel
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Publication Date:
29 March 2018 (online)

Kongressbesuche sind willkommene Unterbrechungen des manchmal eintönigen Klinikalltags. Man sieht eine andere Umgebung, trifft Kollegen zum Gespräch und bekommt neue Anregungen. Kongresse sind auch für die veranstaltenden Städte von großer wirtschaftlicher Bedeutung mit positiven Auswirkungen auf das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie für den lokalen Handel. All dies lief über Jahrzehnte in eingefahrenen Bahnen. Es ist zu erwarten, dass hier in nächster Zeit gravierende Änderungen eintreten werden.

Kongresse sind teuer, die Anmeldegebühren, vor allem bei ausländischen Kongressen, sind manchmal prohibitiv hoch. Dazu kommen noch Fahrt, Verpflegung und Unterkunft, alles Kosten, die ein normaler Klinikarzt nicht tragen kann. Da von der Klinik in der Regel keine Unterstützung erfolgt, eher noch durch die erforderliche Genehmigung für den Besuch weitere Hindernisse aufgebaut werden, war über Jahrzehnte die anteilige oder gesamte Finanzierung durch die Industrie eine unentbehrliche Voraussetzung für viele, insbesondere jüngere, Kongressbesucher. Die Diskussion um das Antikorruptionsgesetz, um die (freiwillige) Transparenz der Zuwendungen und die firmeninternen Compliance-Richtlinien haben zu Unsicherheiten auf Seiten der Ärzte und der Firmen geführt. Viele Firmen haben die Probleme pragmatisch und in Übereinstimmung mit den Standesordnungen gelöst, indem sie Ärzte nur noch unterstützen, wenn diese aktiv am Kongress beteiligt sind (Vortrag, Poster, Vorsitz oder ähnliches). Aktivitäten außerhalb der Kongresszeiten werden nicht mehr finanziert. Bei Anwendung dieser Kriterien ist es bisher auch nicht zu juristischen Schritten gegen Ärzte gekommen, die Unterstützung angenommen haben.

Wenn die finanziellen und juristischen Hürden für einen Kongressbesuch jedoch immer höher werden, überlegt man sich natürlich Alternativen. Und hier bietet die IT-Entwicklung neue Aspekte. Besonders bei großen internationalen Kongressen ist es heute möglich, zeitgleich mit den Präsentationen vor Ort, die wichtigsten Daten mit Bildern, Tabellen und Literatur online abzurufen. Der Besucher am Bildschirm ist dabei manchmal schneller und umfassender orientiert als der Besucher vor Ort. Manche Firmen versuchen auch, Informationen über online-Portale den Ärzten nahezubringen.

Die Entwicklungen der Informationstechnologie werden sicher das Kongresswesen über kurz oder lang vielleicht nicht revolutionieren, aber zumindest deutlich verändern. Sie ersetzen natürlich keineswegs die Möglichkeit, sich vor Ort mit Referenten und Kollegen zu besprechen. Diese wissenschaftlichen und persönlichen Austauschmöglichkeiten stellen sehr häufig den eigentlichen Gewinn des Kongressbesuchs dar, es ist zu hoffen, dass diese Möglichkeiten der Kommunikation auch in der Zukunft noch in einem vertretbaren Rahmen möglich sind.

Auch für die Kongressveranstalter selbst gibt es neue Auflagen. So müssen in Zukunft die Flächen für Wissenschaft und Ausstellung streng voneinander getrennt werden, sodass es dem Arzt möglich ist, die Vortragsstätten zu erreichen, ohne auf dem Weg dahin durch die Industrieausstellung zu gehen. Da ein Großteil der Fixkosten der Kongressveranstalter durch die Standmieten der Firmen bezahlt wird, würde sich ein Rückgang der Ausstellungsfläche, was bei weniger Besuchern unvermeidbar ist, extrem negativ auswirken und manche Kongresse wirtschaftlich nicht mehr möglich machen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob und wie die zu erwartenden neuen Aspekte die Kongresslandschaft verändern werden.