physiopraxis 2018; 16(07/08): 4-5
DOI: 10.1055/a-0603-1291
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Publication Date:
20 July 2018 (online)

„Ich möchte als Patient die Bemühungen der Therapeuten unterstützen“: Zur Demo Ende Mai 2018 in Köln

Liebe Frau Paries,

ich bin als Patient nach wie vor davon überzeugt, dass die Bedeutung der Physio- und Ergotherapie im Hinblick auf die Rehabilitation nach Handverletzungen weiterhin unterschätzt wird. Sie erinnern sich vielleicht noch an meine Berichte über eine Handverletzung, bei der mir Ihre Hinweise und wertvollen Ratschläge am meisten geholfen haben. Ich habe sie aufgegriffen, und ein erfahrener Handchirurg hat sodann auf den ersten, nach meiner damaligen OP angefertigten Röntgenbildern einen Bruch MHK V mit Gelenkbeteiligung aufgedeckt und mir die Beschwerden zusätzlich mit einer möglichen Einblutung in die Beugesehne(n) erklärt, was eine Chronifizierung (Trauma) der Beschwerden auslösen kann. Aus meiner Sicht erfordert diese Tatsache spezielle professionelle und rechtzeitig eingeleitete Handtherapie, die ich aber nicht erhielt. Ich habe erfahren, dass viele Patienten mit solchen Beschwerden zu spät kommen, und ich kann nur vermuten, dass sie genauso wie ich nicht rechtzeitig eine Verordnung erhalten hatten.

Mich wundert zudem bis heute die Diskrepanz zwischen der Leistung der Physio- und Ergotherapeuten und ihrer (m. E. zu geringen) Bezahlung. Ende Mai haben in Köln Therapeuten demonstriert, und ich bin gerne bereit, als Patient die Ergo- und Physiotherapeuten bei ihren Bemühungen zu unterstützen. Es gibt einen Verein „Vereinte Therapeuten“, der um Ihre Interessen kämpft. Warum also soll es keinen Patienten geben, der einen solchen oder anderweitigen vertrauenswürdigen Verein unterstützt?

Mit besten Grüßen
Dariusz Jasinski

Lieber Herr Jasinski,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich freue mich, wieder von Ihnen zu lesen. Die Diskrepanz zwischen Leistung und Vergütung ist aktuell tatsächlich (endlich) ein großes Thema, das nun auch in die Politik gefunden hat. Es ist wirklich toll, dass Sie aktiv werden wollen! Die Therapeuten können jede Unterstützung gebrauchen. Die erfolgreiche Initiative „Therapeuten am Limit“ wird demnächst eine Aktion „Patienten am Limit“ ins Leben rufen. Da können Sie sich gerne dran beteiligen.

Herzliche Grüße
Cornelia Paries

Durch die Protestradtour von Heiko Schneider und das enorme Medienecho haben viele Bürger erfahren:

Therapeuten sind am Limit

Auf der Website http://therapeuten-am-limit.de ist zusammengetragen, wer alles über die Aktion berichtet hat. Hier ein kleiner Auszug besonders lesens- und sehenswerte Beiträge

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Der rbb 24 Beitrag ist zugänglich unter http://bit.ly/rbb_24_TAL
Abb.: http://bit.ly/rbb_24_TAL
Abb.: Aaron Amat/shutterstock.com (nachgestellte Situation)
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MDR Exakt/Fakt Beitrag: Therapeuten demonstrieren – Spahn antwortet auf Facebook http://bit.ly/Facebook_Spahn
Abb.: http://bit.ly/Facebook_Spahn
Abb.: Aaron Amat/shutterstock.com (nachgestellte Situation)
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Der ARD FAKT Beitrag ist zugänglich unter http://bit.ly/Fakt_TAL
Abb.: Aaron Amat/shutterstock.com (nachgestellte Situation)
http://bit.ly/Fakt_TAL
Abb.: Aaron Amat/shutterstock.com (nachgestellte Situation)
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Abb.: T. Clemens

Thomas Clemens ist Physiotherapeut und Dozent in MTT/KGG am Institut für funktionelle Therapie und Sportmedizin in Bremen. Er hat einen etwas anderen Blick auf die Physiologie. Sein Thema heute:

Superkompensation oder „fucking comfort zone“?

Komfortzone? Klingt doch super! Ist es auch. Denn dann ist der Körper für die gebotenen Belastungen gewappnet und fühlt sich nicht überfordert. Diesen Zustand mögen wir gerne so häufig wie möglich im Alltag haben. Wer sich schon mal mit Trainingslehre beschäftigt hat, kennt die Begriffe Homöostase und Superkompensation. Homöostase ist mit der Komfortzone in etwa gleichzusetzen. Dann sind die Zellen und die Autoregulationsfähigkeit des Körpers so richtig schön im Gleichgewicht. Wird der Körper zum Beispiel durch Training aus diesem Gleichgewicht gebracht, ist er bemüht, alles so auszugleichen, dass es wieder wie vorher wird. Dabei hat er eine clevere und nützliche Angewohnheit: Bringt eine außergewöhnliche Belastung den Körper aus dem Gleichgewicht, regeneriert er sich etwas über das Ausgangsniveau hinaus – quasi als Puffer für das nächste Mal. Diesen Vorgang nennt man Superkompensation: Es wird nicht nur kompensiert, sondern noch darüber hinaus kompensiert, deshalb super. Dank dieses Effektes ist es uns möglich, unsere Leistungsfähigkeit zu verbessern. Ich trainiere, mein Körper legt einen Puffer an, ich trainiere wieder und so weiter …

Aber warum denn dann jetzt „fucking comfort zone“? Na, weil sie mal wieder beweist, dass der Körper ohne den entsprechenden Reiz nichts tut. Hier schlägt das Prinzip des Trainingswirksamen Reizes in dieselbe Kerbe. Ohne Reiz, der den Körper zu dieser Anstrengung zwingt, keine Superkompensation. Bleiben wir permanent in unserer Komfortzone, erzeugen wir diesen Reiz nicht und entwickeln uns nicht weiter. Zeigen wir unserem Körper jedoch, dass seine momentane Leistung für unseren Anspruch nicht reicht, dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich für das nächste Mal vorzubereiten. Für ein Aufbautraining bedeutet das: Wir müssen unsere Muskulatur gewissermaßen überfordern. Denn sonst erhält sie die Information: Alles klar mein Lieber, deine Leistungsfähigkeit reicht total aus – kein Grund, aufzustocken.