Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2018; 25(03): 103-108
DOI: 10.1055/a-0612-5840
Kasuistik
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Spezifischer Rückenschmerz bei zwei Besatzungsmitgliedern in Luftfahrzeugen

Specific back pain at two crew members of aircrafts
Torsten M. Pippig
1   Dezernat II 3e, Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Fürstenfeldbruck
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Publication Date:
02 July 2018 (online)

Fall 1

Anamnese

Der 46-jährige Patient, Besatzungsmitglied eines Flächenflugzeugs, wurde ab Juni 2017, zunächst wegen lokaler Beschwerden in der Lendenwirbelsäule (LWS) behandelt. Später kam eine Schmerzausstrahlung in das rechte Bein mit intermittierenden Kribbelparästhesien im rechten Fuß hinzu. Es bestanden keine Paresen. Zunächst erfolgte eine Röntgenuntersuchung der LWS im Stehen in 2 Ebenen.


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Diagnose

Nach den Röntgenuntersuchungen wurde die Diagnose Ventrolisthesis L5/S1 Meyerding I-II gestellt. Eine Woche später wurde eine MRT-Untersuchung der LWS durchgeführt mit der Diagnose: Typisches Bild einer Spondylolisthesis Grad I nach Meyerding bei Spondylolyse L5 … mäßig ausgeprägte Osteochondrose L5/S1 mit Modic-2-Veränderungen … Alteration der Spinalnerven L5, diese werden im Neuroforamen eingeklemmt … geringe Spondylathrosen … ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Fall 1: MRT-Untersuchung der LWS (t2w, sag), Juni 2017.
Quelle: Radiologische Gemeinschaftspraxis Heinsberg [rerif]

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Therapie und Verlauf

Zunächst wurde ein konservativer Behandlungsversuch durchgeführt. Wegen persistierender Beschwerden wurden in einem anderem Krankenhaus Röntgenfunktionsaufnahmen der LWS im Stehen und in Inklination/Reklination des Rumpfes durchgeführt, eine Instabilität im Segment L5/S1 wurde nicht gesehen. Die konservative Behandlung sollte fortgesetzt werden.

Da sich die LWS-Beschwerden im weiteren Verlauf nicht besserten und der Patient nun ständig über Kribbelparästhesien im rechten Bein/Fuß klagte, wurde die Indikation für eine Operation gestellt: Repositions-Dekompressions-Instrumentations-Spondylodese in TLIF-Technik.

Im September 2017 erfolgte zunächst das Einbringen der 4 Pedikelschrauben in L5 und S1, dann die Laminektomie L5 und es folgte die Neuroforamitomie L5/S1 rechts und links mit Dekompression der eingeklemmten Nervenwurzeln. Anschließend erfolgte die Inzision und subtotale Ausräumung des Bandscheibenfachs L5/S1. Danach erfolgte die Auffüllung des Bandscheibenraums mit dem klein gemörserten Laminaknochen und der Cage (mit Knochen befüllt) wurde in das Bandscheibenfach eingebracht. Die anschließende Röntgenkontrolle dokumentierte eine regelrechte Lage des Cages und der Pedikelschrauben und es erfolgte zum Abschluss das Einbringen und Festziehen der Längsträger. Die Wundheilung war regelrecht.

Es wurden 3 ambulante Nachuntersuchungen beim Operateur im Oktober 2017, im Dezember 2017 und im Februar 2018 durchgeführt. Im Dezember 2017 wurden im Rahmen der Nachuntersuchung Röntgenbilder erstellt ([Abb. 2], [3]).

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Abb. 2 Fall 1: Röntgenuntersuchung der LWS in 2 Ebenen (seitliche Aufnahme), Dezember 2017.
Quelle: Radiologie, St. Elisabeth Krankenhaus, Geilenkirchen [rerif]
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Abb. 3 Fall 1: Röntgenuntersuchung der LWS in 2 Ebenen (ap-Aufnahme), Dezember 2017.
Quelle: Radiologie, St. Elisabeth Krankenhaus, Geilenkirchen [rerif]

Operateur und Patient waren mit dem OP-Ergebnis sehr zufrieden. Die Parästhesien waren deutlich gebessert.

Im Februar 2018 erfolgte die ambulante Untersuchung und Begutachtung auf Wehrfliegerverwendungsfähigkeit (WFV; Flugtauglichkeit) im Dezernat II 3e Orthopädie/Anthropometrie des ZentrLuRMedLw in Fürstenfeldbruck.

Der Patient war am Untersuchungstag beschwerdefrei. Im täglichen Leben und beim Sport hatte er keine Beschwerden oder Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit.

Untersuchungbefund: Größe 171 cm, Gewicht 82 kg, BMI 28,0, Körperfett 23,1 %.

Die körperliche Untersuchung zeigte eine frei entfaltbare und reizfreie LWS (Vorneigung des Rumpfes bis zu einem FBA von 0 cm, Schober lumbalis 10/14 cm). Es bestanden keine senso-motorischen Defizite im Bereich der unteren Extremitäten.

Bildgebung: Zur Begutachtung lagen die MRT-Bilder der LWS vor der Operation ([Abb. 1]) und die Röntgenbilder der LWS im Rahmen der postoperativen Nachuntersuchungen vor ([Abb. 2], [3]).

Die flugmedizinische Entscheidung im März 2018: Erteilung einer flugmedizinischen Sondergenehmigung für die weitere Verwendung in den bisherigen Tätigkeiten mit der Einschränkung „kein Einsatz auf Hubschraubern“. Im September 2018, ein Jahr nach der Operation, ist eine Nachuntersuchung mit Röntgenuntersuchung der LWS beim Operateur durchzuführen.


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