Aktuelle Kardiologie 2018; 7(05): 368-372
DOI: 10.1055/a-0638-7463
Übersichtsarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arbeitsstress als Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen

Work Stress as a Risk Factor for Cardiovascular Disease
Nico Dragano
Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Düsseldorf
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Publication Date:
22 October 2018 (online)

Zusammenfassung

Chronischer Stress entsteht oft in Alltagssituationen, und der Alltag vieler Menschen wird von der Arbeit geprägt und strukturiert. Trotz der unbestreitbar positiven Wirkung einer guten Arbeit für Psyche und Wohlbefinden sind in vielen Berufen psychosoziale Belastungen wie ständiger Zeitdruck, eine hektische Arbeitsumgebung oder zwischenmenschliche Konflikte an der Tagesordnung. Zu diesen Belastungen hat die Forschung Messkonzepte entwickelt, mit deren Hilfe empirisch untersucht wurde, welche Aspekte der Arbeit Stress induzieren und ob solch arbeitsbezogener Stress tatsächlich die Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen fördert. Die Mehrzahl der internationalen Studien berichtet einen Zusammenhang mittlerer Stärke, sodass angenommen werden kann, dass Arbeitsstress ein relevanter Risikofaktor ist. Dieser Beitrag fasst den Forschungsstand zusammen, erläutert die wichtigsten Formen von psychosozialen Arbeitsbelastungen und deren mögliche Folgen für das Herz-Kreislauf-System.

Abstract

Chronic stressors are often rooted in everyday life domains. Work is an example for such a domain. Decent work is an important resource for health and well-being but many jobs are associated with adverse psychosocial working conditions such as constant time pressure, hectic work environments or social conflict. Work stress research has developed several concepts to identify those working conditions which frequently trigger psycho-physiological stress reactions. These concepts have been used to empirically study if work-related stress is associated with an increased risk of incident cardiovascular disease (CVD). Several international studies report respective increases of moderate strength, suggesting that work stress is an CVD-risk factor. This article summarizes the current state of research, explains the main types of psychosocial hazards at work and their impact on the cardiovascular system.

Was ist wichtig?
  • Metaanalysen großer Kohortenstudien legen nahe, dass chronischer arbeitsbezogener Stress ein Risikofaktor mittlerer Stärke für nicht tödliche und tödliche kardiovaskuläre Erkrankungen ist.

  • Die umfangreichste Evidenz aus longitudinalen Studien liegt für eine Belastung durch ein Missverhältnis von hohen psychischen Arbeitsanforderungen bei gleichzeitig niedrigem Handlungsspielraum vor (“job strain”). Aber auch andere Belastungsformen wie berufliche Gratifikationskrisen, Arbeitsplatzunsicherheit oder überlange Arbeitszeiten prädizierten in verschiedenen Studien kardiovaskuläre Erkrankungen.

  • Es gibt Hinweise auf Dosis-Wirkungs-Beziehungen dergestalt, dass Beschäftigte, die zugleich mehreren Formen psychosozialer Arbeitsbelastungen ausgesetzt sind, auch höhere Risiken entwickeln als solche, die mit einem einzelnen Faktor belastet sind.