intensiv 2018; 26(05): 221
DOI: 10.1055/a-0641-9966
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Aus der Geschichte lernt nur der, der sie richtig zu befragen versteht.“

(Carl Peter Fröhling (*1933), deutscher Philosoph und Germanist)
Heiner Friesacher
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Publication Date:
07 September 2018 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

die Beschäftigung mit der Geschichte der Intensivpflege in Deutschland war noch nie Gegenstand eines Schwerpunkts in unserer Zeitschrift. Mit dem langen Beitrag von Christine Leyendecker haben wir eine Analyse – genauer Diskursanalyse – der Fachweiterbildung Intensivpflege von den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts bis in die jüngste Vergangenheit vorliegen.

Interessant ist die (zum Teil bis heute) ablehnende Haltung der Mediziner gegenüber jeglichen Bestrebungen nach Autonomie und Eigenständigkeit der Pflegenden. Das Bild der Pflege als Assistenzberuf des Arztes scheint in der DNA der Mediziner zur genetischen Grundausstattung zu gehören. Die Argumente gegen eine pflegewissenschaftlich basierte und pflegetheoretisch geleitete Fachweiterbildung waren in den 1990er-Jahren schon so inhaltsleer und von Angst vor Autoritätsverlust getrieben wie die heutige Debatte um die Notwendigkeit von akademisch qualifizierten (Intensiv-)Pflegenden (würde es der Pflege je einfallen, die Akademisierung der Medizin oder deren Facharztqualifikation infrage zu stellen?).

Die Diskurstheorie, die der Methode der Diskursanalyse zugrunde liegt, stammt von dem Machtanalytiker Michel Foucault. Und Macht ist ein entscheidendes Stichwort in der Entwicklung der Fachweiterbildung Intensivpflege. Zu gern haben andere (die Medizin, die Politik, jetzt wohl auch noch die Ökonomie) bestimmen wollen, wohin es mit der (Intensiv-)Pflege gehen soll. Es wird Zeit, dass wir das Steuer selbst in die Hand nehmen.

Mit vorsichtig optimistischen Grüßen Ihr

Dr. Heiner Friesacher