Laryngorhinootologie 2018; 97(12): 873-874
DOI: 10.1055/a-0652-7107
Gutachten und Recht
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Pacta sunt servanda – Zur Durchsetzung von Berufungs- und Bleibezusagen

Albrecht Wienke
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Publication Date:
10 December 2018 (online)

Verträge müssen eingehalten werden – dieser aus dem Mittelalter stammende Rechtsgrundsatz unterstreicht das Prinzip der Vertragstreue im öffentlichen und im privaten Recht. Nicht nur schriftliche und formgebundene, sondern auch mündliche, formlos getroffenen Vereinbarungen haben rechtliche Verbindlichkeit. Dies gilt in gleicher Weise für Ausstattungs- oder sonstige Zusagen, die von Dekanen der universitären Fachbereiche oder von Vorständen von Universitätsklinika im Rahmen von Berufungsverfahren oder Bleibeverhandlungen gemacht werden. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Rheinland-Pfalz hat diese Grundsätze nun in einer aktuellen Entscheidung noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Für die an medizinischen Fakultäten und Universitätsklinika tätigen Hochschullehrer ist es von erheblicher Bedeutung, dass die von der Universität getätigten Zusagen bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen verlässlich sind. Denn die im Rahmen der Verhandlungen getroffenen Vereinbarungen sind letztlich das Ergebnis von vorausgegangenen, oftmals zähen Verhandlungen, die den betroffenen Hochschullehrer überhaupt bewegen, die Stelle anzutreten bzw. fortzusetzen. Im Rennen um die besten Köpfe könnten die Universitäten verleitet sein, vorschnelle Zusagen und Vereinbarungen zu treffen, die später dann doch nicht oder nur eingeschränkt umgesetzt werden. Oftmals ist es dem Betroffenen dann aber auch nicht mehr möglich, kurz- oder mittelfristig einen beruflichen Wechsel zu vollziehen, sei es aus wissenschaftlichen, privaten oder wirtschaftlichen Gründen. Der aktuelle Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13.08.2018 AZ: 2 A 10674/18; vorgehend VG Mainz, Urt. v. 25.04.2018, AZ: 3 K 551/17) stärkt die Position der Hochschullehrer und verpflichtet die Universität, entsprechende Zusagen einzuhalten.

  1. In dem beim Verwaltungsgericht Mainz anhängigen Rechtsstreit hatte eine Hochschullehrerin und Direktorin der Klinik eines Universitätsklinikums auf Durchführung und Erfüllung der vom Vorstand des Universitätsklinikums im Rahmen von Bleibeverhandlungen getätigten Zusagen geklagt.
    Die Hochschullehrerin hatte bereits im Jahr 2009 ihre Tätigkeit an dem Universitätsklinikum aufgenommen. Im Mai 2012 kam es zu Bleibeverhandlungen, in deren Verlauf der Vorstand der Professorin in einem Schreiben versprach, ihr bis Anfang September 2012 „Zugang zu Intensivtherapiebetten unter neurologischer Endverantwortung sowie entsprechende personelle Ressourcen in Form einer Anpassung des Krankenversorgungsbudgets der Klinik für Neurologie (…)“ zu gewähren.
    Eine Umsetzung dieser konkreten Zusagen erfolgte jedoch nicht. Schließlich forderte die Professorin im Frühjahr 2014 den Vorstand zur Umsetzung der Bleibezusage auf, woraufhin dieser mitteilte, dass eine Umsetzung bis auf weiteres nicht erfolgen würde. Die Intensivtherapiebetten wurden daher im Ergebnis weiter als Streubetten unter internistischer Leitung geführt.
    Schließlich erhob die Hochschullehrerin Klage vor dem Verwaltungsgericht auf Erfüllung der ihr vom Universitätsklinikum gemachten Bleibezusagen.

  2. Das Verwaltungsgericht Mainz gab der Klinikdirektorin in vollem Umfang Recht und verurteilte die Universitätsklinik zur Umsetzung der erteilten Zusage. Diese Entscheidung bestätigte das Oberverwaltungsgericht nun auch ohne Einschränkungen in zweiter Instanz.
    Dabei lassen beide Entscheidungen zunächst die Frage offen, ob Vereinbarungen im Rahmen von Berufungs- oder Bleibeverhandlungen generell als einseitige Verpflichtungserklärungen (Zusagen) oder aber als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu verstehen sind. Entscheidend für die rechtsdogmatische Einordnung sei das äußere Erscheinungsbild der Zusage, wobei freilich der aus der Verpflichtung resultierende Erfüllungsanspruch in beiden Fällen gegeben sei. Im vorliegenden Falle ging das VG Mainz von einer einseitigen, hoheitlichen Selbstverpflichtung der Universitätsklinik und damit von einer Zusage aus, die angesichts der vorliegenden Schreiben auch der erforderlichen Schriftform genügte.
    Demnach leite sich der von der Klinikdirektorin begehrte Erfüllungsanspruch unmittelbar aus dieser Zusage ab, da diese über eine bloße Absichtserklärung hinausgehe und einen echten Leistungsanspruch auf Einrichtung der neurologischen Intensivbetten in Endverantwortung der Klinikdirektorin generiere.

  3. Das beklagte Universitätsklinikum hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass nach den gesetzlichen Bestimmungen die Hochschule den Hochschullehrern nur zeitlich befristete Zusagen im Rahmen der vorhandenen Ausstattung machen dürfe. Nach Ansicht der Gerichte beschränke dies aber nicht den Erfüllungsanspruch der Klinikdirektorin, da die gesetzlichen Bestimmungen „keine Haushalts- oder Verteilungsvorbehalte oder gar Überprüfungs- und Anpassungsregelungen für ältere Zusagen“ enthielten.
    Auch das in vielen Hochschulgesetzen der Länder normierte Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit führe nicht zu einem Ausschluss des Erfüllungsanspruchs. Denn hierbei handele es sich um eine Regelung, die „keine unmittelbare Außenwirkung auf die Wirksamkeit von Bleibezusagen gegenüber Dritten“ entfalte. Vielmehr regelten die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nur das haushaltsrechtliche Innenverhältnis und verpflichte nur die Hochschule und deren jeweilige Aufsichtsbehörde.

  4. Nach Ansicht der Gerichte könne das beklagte Universitätsklinikum einen Wegfall der Bindungswirkung der abgegebenen Bleibezusage auch nicht mit einer erheblichen nachträglichen Änderung der Verhältnisse (Wegfall der Geschäftsgrundlage – Anpassungs- und Entwicklungsklausel) begründen. Im Einzelnen heißt es hierzu:

    „Die Bindung an die Zusage folgt aus Sinn und Zweck der Bleibezusage. Mit diesem vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassenen Instrument erhalte die Hochschule die Möglichkeit, die Attraktivität eines ausgeschriebenen Lehrstuhls zu erhöhen und ihre Chancen im Wettbewerb der Hochschulen und der Universitätsklinika untereinander um die Gewinnung qualifizierten Personals zu verbessern. …“

    „Durch die Festlegung in Bleibezusagen wird die zukünftige Arbeitsmöglichkeit des Begünstigten maßgeblich bestimmt und damit die Basis seiner zukünftigen wissenschaftlichen Entfaltung determiniert. Bleibezusagen bezwecken daher, den Rufempfänger zur Übernahme einer Professur zu bewegen und sind in der Praxis nicht selten ausschlaggebend für die Standortentscheidung qualifizierter Professoren. Im Vertrauen auf die Zusage baut der Hochschullehrer seine berufliche Existenz auf. Die gegenseitige Interessenlage der Bleibezusage setzt daher die Verbindlichkeit des Angebots jedenfalls für einen bestimmten Zeitraum und unter grundsätzlich gleichbleibenden Verhältnissen als „Minimum an Verlässlichkeit“ voraus. …“

    „Setzt die Hochschule oder die Universitätsklinik Zusagen ein, um Professoren zur Annahme eines Rufes an ihrer Einrichtung zu bewegen, ist sie an die verbindlich zugesagte Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen grundsätzlich auch gebunden. Andernfalls käme der Ausstattungszusage nur noch der Charakter einer „Momentaufnahme hochschulinterner Ausstattungsplanung“ zu, was dem Regelungszweck und einer angemessenen Risikoverteilung offenkundig nicht entspricht. Ausnahmen sind im Rahmen der Organisations- und Verteilungsentscheidungen der betroffenen Einrichtung nur unter engen Voraussetzungen und bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes zulässig ….“

Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts Mainz hat das OVG Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 13.08.2018 ohne Abstriche bestätigt. Demnach sind Berufungs- und Bleibezusagen grundsätzlich verbindlich und nur unter sehr engen Voraussetzungen und unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu revidieren.

Einige Hochschulgesetze der Länder stellen Berufungs- und Bleibezusagen unter den Vorbehalt der Bewilligung der erforderlichen Haushaltsmittel und befristen diese auf maximal fünf Jahre. Ungeachtet dessen können sich Hochschulen und Universitätsklinika nicht ohne weiteres hierauf berufen, wenn konkrete Berufungs- oder Bleibezusagen abgegeben wurden. Ansonsten würde die beschriebene Intention von Berufungs- oder Bleibezusagen sang- und klanglos unbeachtet bleiben können. (Angehende) Hochschullehrer und Klinikdirektoren müssen auf die ihnen gegenüber gemachten Zusagen und die damit von Seiten der Hochschule ausgesprochenen Erwartungen vertrauen dürfen. Insoweit sind Berufungs- und Bleibezusagen keine Köder, die nur ausgeworfen werden, um gute Hochschullehrer und Klinikdirektoren zu gewinnen. Konkrete Zusagen sind vielmehr das wissenschaftliche und fachliche Fundament des jeweiligen Hochschullehrers für seine auf viele Jahre ausgerichtete Tätigkeit in leitender wissenschaftlicher und klinischer Position und daher von allen Beteiligten als (rechts-) verbindlich anzuerkennen.

Köln im September 2018
Rechtsanwalt Dr. Albrecht Wienke

Verantwortlich für diese Rubrik: Prof. Dr. T. Brusis und Dr. A. Wienke.