Zeitschrift für Phytotherapie 2018; 39(06): 284
DOI: 10.1055/a-0686-4180
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stockley’s Phytopharmaka Interaktionen

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Publication Date:
10 January 2019 (online)

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Das Buch ist die deutsche Übersetzung der 2. englischen Originalauflage 2013 von Stockley’s Herbal Medicines Interactions. Es will verstanden sein als Informationsquelle zu den Wechselwirkungen zwischen herkömmlichen Medikamenten und pflanzlichen Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln sowie Lebensmitteln mit gesundheitsfördernden Wirkungen.

Die Grundlage bilden 64 Drogenmonografien, die in alphabetischer Folge gemäß den deutschen Namen geordnet sind. Jede der Monografien ist übersichtlich in 6 Teile untergliedert, nämlich (1) Synonyme; (2) Arzneibücher; (3) Inhaltstoffe; (4) Verwendung und Indikation; (5) Pharmakokinetik; (6) Übersicht zu den Wechselwirkungen. Für den naturheilkundlich praktizierenden Arzt sind die Inhalte der Abschnitte 1–3 weniger relevant, die zum Abschnitt 4 in der Regel bekannt. Der Abschnitt 5, Pharmakokinetik, überrascht zunächst, weil gemäß Zulassungsdefinition die Wirkstoffe der Phytopharmaka natürliche Stoffgemische sind, die sich als solche im Körper mit pharmakokinetischen Kenngrößen kaum erfassen lassen. Tatsächlich geht es in den jeweiligen Abschnitten 5 aber auch gar nicht um Konzentrationsverläufe pflanzlicher Inhaltstoffe oder Leitsubstanzen, sondern um den Stoffwechsel ausgewählter synthetischer Arzneistoffe, die experimentell zwecks Quantifizierung möglicher Wechselwirkungen (WW) zusätzlich zu den Phytopharmaka angewendet wurden.

Die Interaktionen, gemessen in vitro, am Tier oder am Menschen (da auch Verdachtsfälle) werden im letzten Abschnitt (6) jeder Monografie detailliert nach dem Stand des Wissens dargestellt und gewissenhaft mit Literaturzitaten belegt. Die Texte zu den WW reichen von wenigen Worten (etwa im Sinne keine Hinweise für Wechselwirkungen – das immerhin bei 28 der 64 Monografien) bis zu 68 Druckseiten im Falle von Johanniskraut. Die WW wurden nach 5 Schwerestufen gewichtet und wie folgt beschrieben sowie am Seitenrand mit umrahmten Symbolen () extra gekennzeichnet: Lebensgefährlich, Medikation vermeiden (X); Hohes Risiko, Dosisanpassung oder enge Überwachung nötig (!!); Potenzielles Risiko, aber wegen schlechter Datenlage keine eindeutige Empfehlung möglich (!); Vermutlich kein Risiko (?); Ohne klinische Bedeutung (V).

Zählt man mit Blick auf deren Zweck für die Praxis zuerst die unbedenklichen Phytopharmaka zusammen, so wurden bei 28 Drogen gar nichts und bei weiteren 21 Drogen entlastende Belege (Schwerestufen „?“ und „V“) gefunden. Im Visier bleiben nach Abzug zweier „!“-Fälle noch 13 Drogen, bei denen die Autoren auf hohe bis lebensgefährliche Risiken im Sinne der Schweregrade „!!“ und „X“ schlossen. Die Lektüre der Detailberichte zu den 13 fördert jedoch bei 8 davon Diskrepanzen zwischen den symbolischen Risiko-Akklamationen und den Bewertungen im Text zutage. So wird etwa in der Monografie 6, Bitterorangenschale, eine WW mit Indinavir mit dem Randsymbol „X“ (Lebensgefährlich, Medikation vermeiden) markiert. Unter „Beurteilung und Maßnahmen“ heißt es dann aber abschließend: Dennoch legen diese Daten … nahe, dass Bitterorangen-Supplemente die Metabolisierung von Indinavir wahrscheinlich nicht beeinflussen.

Ähnliche Widersprüche zwischen Übersichtssymbolen und Klartexten finden sich in 7 weiteren Monografien, nämlich: Flavonoide in Bezug auf WW der Kennzeichnung „!!“ mit Ciclosporin und Digoxin resp. mit „X“ für Statine; Ginsengwurzel, WW „X“ mit Warfarin; Indische Flohsamen, WW „X“ mit Mesalazin; Knoblauchpulver, WW „X“ mit Saquinavir; Mariendistelfrüchte, WW „!!“ mit Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten; Rosenwurzwurzelstock, WW „X“ mit Pfeffer; Sonnenhutwurzel, WW „X“ mit Immunsuppressiva.

Zieht man auch die gezielt überzeichneten Fälle ab, so bleiben von insgesamt 64 nur noch 5 Phytopharmaka übrig (Cannabis, Johanniskraut, Kava-kava-Wurzelstock, Pfefferminzblätter und Süßholzwurzel). Cannabis unterliegt in Deutschland einer streng eingeschränkten Rezeptierbarkeit als Betäubungsmittel; Kava-kava-Wurzelstock ist hier nur noch aufgrund eines Gerichtsbeschlusses auf dem Markt. Das Reflux-Problem mit Pfefferminzöl ist galenisch lösbar; Süßholzwurzel wird kaum noch angewendet. Tatsächlich bleibt somit als einziges Kapitel von Gewicht in Stockley’s Phytopharmaka Interaktionen dasjenige zu Johanniskraut. Über dessen Wechselwirkungsrisiken sind Fachkreise aber seit Jahren gut informiert. Eines 452-Seiten-Buches bedurfte es dafür wohl kaum noch.

Prof. Dr. Volker Schulz, Berlin