Diabetologie und Stoffwechsel 2018; 13(05): 394-395
DOI: 10.1055/a-0744-2323
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31 October 2018 (online)

Die Folgen und Komplikationen des Diabetes mellitus Typ 2 verursachen weltweit enorme Kosten. Die Grundidee, mithilfe einer Normalisierung der Blutzuckerwerte Folgeschäden und die Mortalität dieser Patienten zu reduzieren, konnte nicht in großen Interventionsstudien (ACCORD, ADVANCE, VADT und UKPDS) bestätigt werden. Die Senkung des HbA1c konnte das absolute Risiko für kardiovaskulären Tod (abhängig von der Studie) nur um 1 – 2,6 % senken. Hyperglykämieunabhängig heißt aber nicht glukoseunabhängig. Statt auf Plasmaglukose erfolgte die Fokussierung auf den intrazellulären Glukosemetabolismus und vor allem auf die Störung der Detoxifizierung von physiologisch anfallenden reaktiven Metaboliten. Ein besonderer Fokus wurde dabei auf die Dicarbonyle gelegt. Diese führen über eine Reihe von nichtenzymatischen Modifkationen von Proteinen, Lipiden und DNA zur Störung des gesamten Zellstoffwechsels.

Die Daten zur klinischen Relevanz der gestörten Dicarbonyl-Detoxifizierung waren uneinheitlich. Im Jahr 2017 konnte dieselbe Arbeitsgruppe um Nordin M. J. Hansen et al. eine signifikante Assoziation zwischen kardiovaskulären Ereignissen und erhöhten reaktiven Metaboliten bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 zeigen, vergleichbar mit den aktuellen Ergebnissen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. Ebenfalls konnte bereits ein klinischer Zusammenhang zwischen erhöhten Methylglyoxal-Leveln und diabetischer Neuropathie und vor allem neuropathischem Schmerz gezeigt werden [1]. Gemeinsam mit den aktuellen Daten in Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 gewinnt das Konzept des intrazellulären Methylglyoxal-Stresses als Ursache diabetischer Komplikationen eine zunehmende Bedeutung. Dazu zeigen aktuelle Studien in der Grundlagenforschung, dass Methylglyoxal-Stress die gemeinsame Säule von Adipositas, Insulinresistenz und Hyperglykämie ist [2]. Dies wurde ebenfalls durch eine Studie in Menschen bestätigt, in der ein Zusammenhang zwischen Dicarbonyl-Detoxifikation, NASH und BMI gezeigt werden konnte. Durch einen Nrf-2-Induktor, der auch das Enzym für die Methylglyoxal-Detoxifizierung, die Glyoxalase, induziert, konnten in Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 sowohl BMI als auch Entzündung reduziert werden [3].

Die Erforschung der reaktiven Metabolite, vor allem ihre Entstehung (Akkumulation), ihre Wirkungen im Metabolismus (dicarbonyl stress) und ihr Abbau (Detoxifizierung) stehen im Fokus vieler Forschergruppen. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1118 (SFB 1118) in Heidelberg konnte bereits gezeigt werden, dass diese reaktiven Metabolite nicht nur über das Enzym Glyoxalase I abgebaut werden, sondern dass auch alternative Pathways in unseren Zellen existieren (z. B. die Aldo-Keto-Reduktase), die auch bei der Detoxifizierung von reaktiven Metaboliten einspringen [4]. Ebenfalls zeigen erste Daten, dass geringe Konzentrationen von Methylgyoxal, die im Energiestoffwechsel anfallen, sogar schützend sein können [5].

Zusammenfassend ist festzustellen, dass durch die nüchterne Betrachtung großer klinischer Studien, der Forschungszweig des Verstehens des intrazellulären Glukoseabbaus und die Detoxifizierung seiner Metabolite zunehmende Fortschritte bergen. Es ist davon auszugehen, dass diese Erkenntnisse in absehbarer Zukunft zunehmend klinisch relevant werden.

 
  • Literatur

  • 1 Bierhaus A, Fleming T, Stoyanov S. et al. Methylglyoxal modification of Nav1.8 facilitates nociceptive neuron firing and causes hyperalgesia in diabetic neuropathy. Nat Med 2012; 18: 926-933
  • 2 Moraru A, Wiederstein J, Pfaff D. et al. Elevated Levels of the Reactive Metabolite Methylglyoxal Recapitulate Progression of Type 2 Diabetes. Cell Metab 2018; 27: 926-934 e8
  • 3 Rabbani N, Thornalley PJ. Glyoxalase 1 Modulation in Obesity and Diabetes. Antioxid Redox Signal 2018; DOI: 10.1089/ars.2017.7424.
  • 4 Morgenstern J, Fleming T, Schumacher D. et al. Loss of Glyoxalase 1 Induces Compensatory Mechanism to Achieve Dicarbonyl Detoxification in Mammalian Schwann Cells. J Biol Chem 2017; 292: 3224-3238
  • 5 Zemva J, Fink CA, Fleming TH. et al. Hormesis enables cells to handle accumulating toxic metabolites during increased energy flux. Redox Biol 2017; 13: 674-686