Z Geburtshilfe Neonatol 2018; 222(06): 269-271
DOI: 10.1055/a-0795-5210
Die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin informiert
Kommentar
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Planungsrelevante Qualitätsindikatoren in der Geburtshilfe – sind die Daten wirklich relevant?

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Publication Date:
10 December 2018 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Hebammen,

der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 31.10.2018 in Berlin den ersten Bericht über Qualitätsergebnisse veröffentlicht, die für die Krankenhausplanung relevant sind. Ausgewertet wurden Daten aus dem Erfassungsjahr 2017 an 1084 Kliniken zu 11 Qualitätsindikatoren aus den Bereichen gynäkologische Operationen, Geburtshilfe und Mammachirurgie. Von den 1084 Kliniken wurden 70 Kliniken als auffällig bewertet. In der Geburtshilfe wurden 5 Qualitätsparameter von 712 Kliniken ausgewertet. Der Bericht enthält Berechnungen aus den zugrundeliegenden Daten nach der fachlichen Bewertung, ob eine zureichende oder unzureichende Qualität vorliegt. Da es sich um planungsrelevante Qualitätsparameter handelt, sollen diese in erster Linie den Politikern, bei der nicht immer erfolgreich umgesetzten Krankenhausplanung, hilfreich zur Seite stehen. Da die Daten veröffentlicht wurden, sollen natürlich auch Patientinnen hier wichtige Informationen darüber erhalten, welche Kliniken für sie definitiv ungeeignet sind.

Es ist zweifelsohne zu begrüßen, wenn eine einheitliche Qualitätsanalyse zur Verfügung steht, um vorhandene Defizite in der Krankenversorgung zu verbessern. Hintergrund der vorgelegten Analyse ist es, die Qualität der medizinischen Versorgung zusätzlich als Kriterium für die Krankenhausplanung einzubeziehen. Dem G-BA wurde vom Gesetzgeber nun die Aufgabe zugewiesen, planungsrelevante Qualitätsindikatoren zu entwickeln, mit deren Hilfe die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen beurteilen können, ob ein Krankenhaus hinsichtlich einzelner Qualitätsindikatoren eine im Vergleich gute, durchschnittliche oder unzureichende Qualität aufweist.

Für die Perinatalmedizin sind folgende 5 Qualitätsindikatoren ausgewählt worden:

  1. Anwesenheit eines Pädiaters bei Frühgeburten

  2. Antenatale Kortikoidtherapie bei Frühgeborenen mit einem präpartalen stationären Aufenthalt von mindestens 2 Kalendertagen

  3. E-E-Zeit bei Notfallkaiserschnitt über 20 Min

  4. Perioperative Antibiotikaprophylaxe bei Kaiserschnittoperationen

  5. Qualitätsindex zum kritischen Outcome bei Reifgeborenen

Da aus der Veröffentlichung der Daten sowohl für Politiker, als auch für Patienten Konsequenzen entstehen werden, ist es sinnvoll zu hinterfragen, ob die verwendeten Parameter dafür überhaupt geeignet sind.

Zu 1. Anwesenheit eines Pädiaters bei Frühgeburten

Dieser Parameter ist zweifelsohne wichtig und sinnvoll. Entscheidend für eine optimale Versorgung ist aber nicht der Pädiater alleine, sondern man braucht auch ein entsprechendes Umfeld, um ein Frühgeborenes versorgen zu können. Wenn der Pädiater ohne entsprechende Logistik ein Neugeborenes versorgt, dann wird die Versorgung notwendigerweise große Mängel aufweisen.

Eine ausreichende Evaluation, von Kliniken die bei diesem Parameter auffällig waren, ist nicht erfolgt. Kliniken sind daher als mit „unzureichender Qualität“ bewertet worden, obwohl der klinische Ablauf als medizinisch absolut nachvollziehbar zu bewerten war.

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Prof. Dr. med. Franz Kainer, Präsident der DGPM

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Zu 2. Antenatale Kortikoidtherapie bei Frühgeborenen mit einem präpartalen stationären Aufenthalt von mindestens 2 Kalendertagen

Die Einführung der antenatalen Kortikoidtherapie ist zweifellos eine der großen Erfolgsgeschichten in der Perinatalmedizin. Die Durchführung der Kortikoidtherapie bei drohender Frühgeburt wird routinemäßig seit Jahrzehnten durchgeführt. In der Analyse durch das IQTIG wurden 3 Kliniken mit „unzureichender Qualität“ bewertet. Nach einer ausführlichen Recherche durch die DGPM wurde die Kortikoidgabe in allen Fällen als fachgerecht eingestuft. Leider ist durch das IQTIG kein endgültiger strukturierter Dialog mit den Kliniken erfolgt. Es ist zwar erfreulich, dass bei diesem Parameter keine Klinik in Deutschland auffällig ist, es wäre wünschenswert, dass diese Daten in Zukunft zuverlässig erhoben werden.

Ein weiterer wichtiger Parameter in diesem Zusammenhang ist die Durchführung einer unnötigen Kortikoidtherapie, denn es hat sich gezeigt, dass eine zu großzügige Kortikoidgabe Nachteile für das Kind haben kann. Die Patientin sollte darüber informiert werden, wie häufig in den jeweiligen Kliniken unnötige Kortikoidgaben durchgeführt werden.

Insgesamt wäre natürlich ein Parameter sinnvoll, der die tatsächliche Qualität der geburtshilflichen Betreuung bei drohender Frühgeburt abbildet. Es wäre z. B. die Zeitdauer von der Aufnahme wegen drohender Frühgeburt bis zum Zeitpunkt der Geburt ein wichtiger Parameter, um die Qualität der geburtshilflichen Betreuung zu bewerten. Eine Klinik, die die Schwangere unmittelbar nach der Lungenreifeinduktion entbindet, unterscheidet sich beim vorliegenden Parameter nicht von einer Klinik, die sich bemüht hat die Schwangerschaft noch zu prolongieren. Das hat natürlich gerade bei extremer Frühgeburt enorme gesundheitspolitische Konsequenzen.

Die Erfassung des Parameters ist natürlich sinnvoll und weiterhin wünschenswert, als planungsrelevanter Qualitätsparameter ist er jedoch völlig ungeeignet.


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Zu 3. E-E-Zeit bei Notfallkaiserschnitt über 20 Min

Die E-E-Zeit von 20 Min ist als alleiniger Parameter wertlos, um die Qualität einer geburtshilflichen Abteilung in Notfallsituationen zu bewerten. Die durchschnittliche E-E-Zeit in großen Kliniken beträgt 10 Min. 20 Min ohne Sauerstoffversorgung auszukommen, das ist eine extrem lange Zeit und schwer zu überstehen. Die Zeitdauer von 20 Min belegt also keine sehr hohe Qualität der Abteilung in geburtshilflichen Notsituationen. Es wäre richtig, hier neben der E-E-Zeit zusätzlich zu bewerten, ob die Indikation zur Operation nachvollziehbar ist, denn die Notsektio ist für die Mutter ein dramatischer und gefährlicher Eingriff. Vielfach werden Fehlentscheidungen aber auch lange vor der Notsektio getroffen. Wenn das Kind dann innerhalb von 20 Min entbunden wird, dann scheint das aber den Qualitätsanforderungen zu entsprechen. Die alleinige E-E-Zeit ist daher ungeeignet die Qualität einer geburtshilflichen Abteilung abzubilden und ist daher auch völlig ungeeignet als planungsrelevanter Qualitätsparameter eingesetzt zu werden.


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Zu 4. Perioperative Antibiotikaprophylaxe bei Kaiserschnittoperationen

Der Parameter steht derzeit auf dem Prüfstand. Es ist nachvollziehbar, dass sich Schwangere, aufgrund der derzeitigen Diskussion zum kindlichen Mikrobiom, gegen die Antibiotikagabe entscheiden. Dies würde dann aber als unzureichende Qualität bei der Klinikauswertung beanstandet werden. Da es bei der Analyse keine Auffälligkeiten mit „unzureichender Qualität“ gibt und die Evidenz für diesen Parameter insgesamt neu bewertet werden muss, kann dieser Parameter derzeit nicht als planungsrelevanter Qualitätsindikator zur Anwendung kommen.


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Zu 5. Qualititätsindex zum kritischen Outcome bei Reifgeborenen

Der Parameter ist sicher sehr wertvoll und sollte auf jeden Fall erhoben werden. Allerdings ist hier auch die außerklinische Geburtshilfe mit einzubeziehen. Glücklicherweise sind hier auch nur wenige Kliniken auffällig. Ein strukturierter Dialog mit Aufarbeitung des klinischen Ablaufes ist in den meisten Fällen nicht erfolgt. Dies hat zu weiteren Fehlbeurteilungen von Kliniken geführt. Allerdings besteht das Problem der sehr subjektiven Vergabe des Apgar-Wertes und es sollten in diesen Fällen Einzelfallanalysen durchgeführt werden, um zu beurteilen, ob ein geburtshilfliches Fehlverhalten die Ursache für den schlechten Zustand des Kindes darstellte. Der Parameter ist von den beschriebenen Qualitätsindikatoren wahrscheinlich am ehesten geeignet, die Qualität einer geburtshilflichen Klinik abzubilden. Für eine Qualitätsbeurteilung ist allerdings der Zustand des Kindes bei der Entlassung unerlässlich.


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