PPH 2019; 25(02): 101-103
DOI: 10.1055/a-0826-7937
Rund um die Psychiatrie
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Publikationsdatum:
25. März 2019 (online)

Pflege in anderen Ländern – Vom Ausland lernen?

Stiftung Münch

In der Studie „Pflege in anderen Ländern – Vom Ausland lernen?“ (PinaL) im Auftrag der Stiftung Münch wurde unter der Leitung von Professor Michael Ewers, Direktor des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité – Universitätsmedizin Berlin, die Situation der Pflege in Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Kanada untersucht. Alle betrachteten Länder haben mit Deutschland vergleichbare Probleme bei der Rekrutierung von Fachkräften und bei der Sicherung der pflegerischen Versorgung bei zugleich wachsendem Bedarf in allen Versorgungsbereichen. Anders als in Deutschland finden sich als Lösungsansätze mehr Investitionen in die hochschulische Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen, Maßnahmen zur Stärkung der Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Pflege sowie die Erweiterung pflegerischer Aufgaben- und Verantwortungsbereiche. Die diversen Initiativen sowie sozialen und technischen Innovationen zur Zukunftssicherung der pflegerischen Versorgung in den untersuchten Ländern dienen stets einer doppelten Zielsetzung: Sie fördern die Attraktivität der Pflege als zukunftsfähiger Gesundheitsberuf und sie sichern zugleich eine hochwertige und innovative gesundheitliche und pflegerische Versorgung der Bevölkerung.

In Großbritannien, Schweden, den Niederlanden und Kanada ist die Aus- und Weiterbildung von Pflegenden in den regulären Bildungsstrukturen verortet. Es ist eine klare politische Rahmensetzung zur Erhöhung ihrer Kapazität und Qualität erkennbar. In Deutschland hingegen nimmt Pflegebildung eine berufs- und bildungsrechtliche Sonderstellung ein: Sie findet in den meisten Bundesländern an „Schulen besonderer Art“ statt und unterliegt meist nicht – wie für allgemein- und berufsbildende Schulen üblich – dem Schulrecht der Länder. Die Pflegeausbildung ist deshalb benachteiligt, was die Finanzierung, Ausstattung und die Qualifikation des Lehrpersonals betrifft. Zudem unterliegt sie nicht der externen Qualitätssicherung und -entwicklung, wie sie für andere Berufsschulen geregelt ist. Hier sehen die Autoren klaren Handlungsbedarf.

Die Studie zeigt zudem, dass den Pflegenden in den untersuchten Ländern mehr Verantwortung in der Patientenversorgung übertragen wird. Während in Deutschland meist am Prinzip der ärztlichen Delegation festgehalten wird, bei dem Pflegende als „verlängerter Arm des Arztes“ und auf dessen Anweisung tätig sind, findet in den Untersuchungsländern eine partnerschaftlich angelegte, teamorientierte und gesetzlich legitimierte Aufgabenneuverteilung statt. Das befördert interessante Entwicklungsoptionen für Pflegende mit der Übernahme von mehr eigenverantwortlichen Aufgaben als hierzulande. Das macht innovative Versorgungsformen möglich, von denen letztlich Patienten und Pflegende gleichermaßen profitieren. Deshalb fordern die Autoren eine Stärkung der Pflege durch neue Formen der Aufgaben- und Verantwortungsteilung.

Die Übernahme von mehr Verantwortung ist nicht zuletzt durch einen höheren Anteil an akademischen Pflegekräften möglich. Während in Deutschland lediglich ein bis zwei Prozent der Absolventen der Pflegenden eines Jahrgangs ein Studium der Pflege abgeschlossen haben, liegt der Anteil in den untersuchten Ländern inzwischen bei circa 45 Prozent (Niederlande) und 100 Prozent in Schweden und Großbritannien. International ist ein Hochschulstudium auf Bachelorebene oft die Voraussetzung für die Zulassung als Pflegefachperson.

Auffallend in den Untersuchungsländern ist, dass die Pflegenden an der Entwicklung von Lösungen zum Erhalt der Gesundheitsversorgung aktiv beteiligt sind, da professionelle Interessensvertretungen des Berufsstands von der Politik das Recht und die Pflicht einer Mitbestimmung übertragen bekommen haben. Auch die Bemühungen der Pflege um weitere Professionalisierung und Qualifizierung werden von der Gesundheits- und Bildungspolitik moderiert und mit einer kohärenteren Gesamtstrategie als hierzulande gerahmt. „Wie anderen Gesundheitsprofessionen ist der Pflege auch in Deutschland sowohl das Recht als auch die Kompetenz zuzusprechen, ihre Belange und Interessen in eigener Verantwortung unter Berücksichtigung gesetzlicher Grundlagen zu organisieren und zu vertreten“, fordert Studienautor Ewers.