Nervenheilkunde 2019; 38(05): 327-329
DOI: 10.1055/a-0847-8582
Gesellschaftsnachrichten
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V.

Patricia Habbel-Steigner
,
Julia Mikus
,
Joachim Sproß
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Publication History

Publication Date:
06 May 2019 (online)

Die DGM

Seit 1965 aktiv in der Hilfeleistung für Muskelkranke

Zur Geschichte der DGM

Nach unzähligen ergebnislosen Arztbesu-chen in Deutschland, reiste vor 54 Jahren eine Mutter mit ihrem muskelkranken Kind in die USA. Ihr Wunsch war es gewesen, eine eindeutige Diagnose und Therapievorschläge für ihren schwer kranken Sohn zu erhalten. Erst in der Mayo-Klinik in Rochester konnten Spezialisten die Beschwerden als Muskeldystrophie „Duchenne“ diagnostizieren. Bei ihrem Aufenthalt erfuhr sie auch von der bereits in Amerika existierenden Selbsthilfeorganisation Muscular Dystrophy Association (MDA). Diese Vereinigung setzt sich bereits seit 1950 für Muskelkranke ein. In Deutschland dagegen fehlte es noch an Wissen über die vielfältigen Formen der neuromuskulären Erkrankungen. Ebenso wenig gab es verlässliche Informationen über mögliche Therapien und eine Selbsthilfeorganisation suchte man vergebens.

Die heimkehrende Mutter hatte die Vision, in Deutschland ebenfalls Unterstützung durch eine passende Selbsthilfeorganisation zu erhalten. Der amerikanischen Einrichtung entsprechend sollten Ziele dieser Einrichtung die Erforschung seltener Muskelerkrankungen und wirkungsvolle Therapien sein. In renommierten Medizinern aus München und anderen Interessierten fand sie Mitstreiter für ihre Idee – einer Gesellschaft für die Bekämpfung von Muskelerkrankungen (DGBM). Maria Gräfin zu Toerring wurde somit zur Gründerin der DGM.

Die Förderung der neuromuskulären Forschung sollte das Hauptanliegen, der im Jahr 1965 neugegründeten DGBM, sein. Im Laufe der Zeit gewann neben der Forschungsförderung die umfängliche Beratung von Betroffenen immer mehr an Bedeutung, so dass man im Jahr 1993 die Umbenennung in Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e. V.(DGM) beschloss. Seitdem hat sich die DGM zu einer etablierten Selbsthilfeorganisation für muskelkranke Menschen und ihre Angehörigen entwickelt.

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Gruppenfoto (Quelle: DGM e. V. Freiburg).

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Die DGM heute

Mit über 8500 Mitgliedern ist sie die größte und älteste Selbsthilfeorganisation für Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen in Deutschland. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehören die verlässlichen Informationen zu den vielfältigen Muskelerkrankungen, die Förderung der Forschung, die Unterstützung von Betroffenen und Angehörigen in ihrem Alltag und die gesundheitspolitische Vertretung ihrer Interessen. Weitere Ziele liegen in der Verwirklichung von Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Muskelerkrankung sowie in der Förderung ihrer Gesundheitskompetenz. In Deutschland sind mehr als 100 000 Menschen von einer der rund 800 verschiedenen neuromuskulären Erkrankungen betroffen.

Rechtlich betrachtet ist die DGM ein eingetragener Verein, der als bundesweite Organisation unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbands tätig ist. Die DGM gehört zu den Gründungsmitgliedern der ACHSE (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen) e. V. und kooperiert mit weiteren Organisationen und Verbänden. Der Sitz des Vereins ist Freiburg im Breisgau.

In allen Bundesländern unterhält die DGM Landesverbände, die auf regionaler Ebene aktiv die Zielsetzungen des Vereins verfolgen. Durch Selbsthilfegruppen vor Ort und die Unterstützung von Kontaktpersonen finden Muskelkranke und ihre Angehörigen immer wieder Hilfe. Die Organisation und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen, Freizeitaktivitäten für unterschiedliche Zielgruppen und vieles mehr fördern die Gesundheitskompetenz und ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe im Alltag.

Neben regionalorientierten Landesverbänden ist die DGM in Diagnosegruppen strukturiert. Hier spiegeln sich die Anforderungen der diagnosespezifischen Aufgabenfelder wider. Insgesamt decken zehn bundesweite Diagnosegruppen den größten Teil der neuromuskulären Erkrankungen ab. Die Hauptaufgabe liegt in der diagnosespezifischen Beratung. Informationen zum Leben mit den unterschiedlichen neuromuskulären Erkrankungen erhalten Betroffene durch persönliche Kontakte aus erster Hand. Diagnosegruppen organisieren Symposien, beteiligen sich an nationalen und internationalen Netzwerken und unterstützen die Forschung.


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Neuromuskuläre Erkrankungen sind besondere Herausforderungen für die Seele

Bis Menschen mit einer Muskelkrankheit eine verlässliche Diagnose erhalten, bewältigen sie viele Um- und Irrwege. Neuromuskuläre Erkrankungen sind selten bzw. sehr selten und lassen Betroffene auf ihrem Weg zur klaren Diagnose und Therapie oft verzweifeln. Hinzu kommt, dass viele der Erkrankungen lebenszeitverkürzend sind und eine große Belastung für die Patienten und ihre Angehörigen darstellen. Der Austausch mit gleichfalls Betroffenen spendet Trost und Zuversicht. Für Muskelkranke und ihre Familien bzw. Betreuer geben die umfangreichen und individuell abgestimmten Informationen der DGM zur Erkrankung die nötige Sicherheit und Stabilität. Über Berichte aus erster Hand erfahren die Menschen auf authentische Art, wie der Alltag mit einer neuromuskulären Erkrankung gelingen kann.

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Probewohnung 1 (Quelle: DGM e. V. Freiburg).
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Probewohnung 2 (Quelle: DGM e. V. Freiburg).

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Selbsthilfeförderung

Bundesweit engagieren sich über 300 Kontaktpersonen in den ehrenamtlich geführten Landesverbänden und Diagnosegruppen. Sie stehen Betroffenen für Erfahrungsaustausch und Informationen zur Verfügung, leiten Selbsthilfegruppen und organisieren zahlreiche Selbsthilfeveranstaltungen. Somit wird der wesentliche Teil des DGM-Betätigungsfelds ehrenamtlich mit enormem Engagement getragen. Die Vorstandschaften der Landesverbände und Diagnosegruppen übernehmen für ihre Belange die organisatorischen, administrativen und repräsentativen Aufgaben und werden durch die hauptamtlich geführte Bundesgeschäftsstelle unterstützt.


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Sozial- und Hilfsmittelberatung in der Bundesgeschäftsstelle

Die persönliche Unterstützung der Betroffenen von neuromuskulären Erkrankungen und ihre Angehörige erfolgt über die hauptamtlichen Sozialberater. Zu den vielfältigen Fragen gehören zum Beispiel Fragen zur Bewältigung der Erkrankung, zur Durchsetzung sozialrechtlicher Ansprüche, zu Möglichkeiten der Rehabilitation, zu Hilfsmitteln und zur Unterstützung im Alltag. Ratsuchende werden umfangreich gefördert in ihren Gesundheitskompetenzen und Bewältigungsstrategien. Eine lebenspraktische einzigartige Form der direkten Unterstützung sind die DGM-eigenen barrierefreien und komplett behindertengerechten Probewohnungen, in denen verschiedene bauliche, organisatorische und technische Speziallösungen ausprobiert werden können. Im Rahmen von mehrtägigen Besuchen haben Betroffene die Möglichkeit, individuelle Hilfsmittel, technische Steuerungssysteme sowie Mobilitätsunterstützungen zu testen.


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Information und Aufklärung

Muskelkranke, ihre Angehörigen und Fachpersonen erhalten von der DGM eine breite Auswahl an Merkblättern, Broschüren und Informationsmaterial zu den unterschiedlichen Erkrankungen und den entsprechenden Behandlungs- und Untlickeiten. stehen aktuelle Informationen auf der Website www.dgm.org und auf dem DGM-Facebook-Account zum Download bereit.


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Forschung

Die DGM ist umfangreich tätig in der Forschungsförderung. Regelmäßig werden Studien oder Projekte finanziell gefördert, die vielversprechende wissenschaftliche Ansätze in der Erforschung von neuromuskulären Erkrankungen aufweisen. Hier handelt es sich hauptsächlich um Anschubfinanzierungen oder Anschaffungen von notwendigen Materialien. Zudem arbeitet die DGM aktiv in weitweiten sowie europäischen neuromuskulären Netzwerken mit. Über unterschiedliche Forschungspreise werden Forscher, Wissenschaftler oder Kliniker gewürdigt, die im neuromuskulären Bereich in Diagnostik oder Therapie besondere Leistungen vollbracht haben.


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Neuromuskulären Zentren

Ein flächendeckendes Netz bilden die durch die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke zertifizierten Neuromuskulären Zentren in Deutschland. Die Verteilung ist so gewählt, dass eine wohnortnahe, qualifizierte Diagnostik und Therapie von Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen sichergestellt werden kann. In den Muskelzentren arbeiten spezialisierte Ärzte auf dem Gebiet der neuromuskulären Erkrankungen, in der Regel Neurologen oder Neuropädiater, die in einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit Kardiologen, Pulmologen, Orthopäden, Rheumatologen, Physiotherapeuten und Sozialberatern die muskelkranken Patienten betreuen.


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Politische Vertretung

Die DGM setzt sich sowohl regional als auch bundesweit für die Gleichstellung und Inklusion muskelkranker Menschen ein und stellt sicher, dass ihre Anliegen in allen relevanten Gremien vertreten werden. Als regelmäßige Teilnehmer an Sitzungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sind Mitglieder der DGM in den Diskussionen über Einsatz sowie Zulassungen von Hilfsmitteln oder Wirkstoffen beteiligt.


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