Im OP 2019; 09(03): 131
DOI: 10.1055/a-0849-2909
DBOTA-Mitteilungen
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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

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Publication Date:
23 April 2019 (online)

Anfang der 1980er-Jahre zeichnete sich ein enormer Personalmangel in Operationsabteilungen ab. Dies war für einige Ärzte und Pflegekräfte Anlass, sich Gedanken über ein Entgegenwirken zu machen. In den Niederlanden besteht seit den 1960er-Jahren ein Berufsbild, welches sich nur auf die Assistenz und Versorgung der Patienten im OP spezialisiert hat. Auch die Schweiz begann 1972 mit der Ausbildung von Technischen Operationsassistenten (TOA). Die dreijährige Ausbildung zum TOA gilt bis heute als Vorbild für die Ausbildung zum Operationstechnischen Assistenten in Deutschland. 1990 startete im Evangelischen Krankenhaus in Mülheim an der Ruhr der erste, zunächst zweijährige Kurs zum Operationstechnischen Assistenten. Nach einer Evaluation der Ausbildung entschied man sich, die Ausbildung auf drei Jahre zu erhöhen.

In den Jahren gründeten sich einige Initiativen, die sich bis heute für eine Verbesserung der Ausbildungssituation einsetzen. Neben dem Deutschen OTA-Schulträgerverband (DOSV) ist hier die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) zu erwähnen. Erst 24 Jahre später schafften es die ersten Berufsangehörigen, einen kleinen Schritt in Richtung Berufsemanzipation zu gehen.

Am 29. März 2014 gründet sich im Klinikum in Ludwigshafen am Rhein der Deutsche Berufsverband Operationstechnischer Assistenten. Gemeinsam mit Yasin Kalkan und Juliane Müller wurde die Idee schnell zur Realität. Gemeinsam mit über 60 OTA wurde die Satzung verlesen, verabschiedet sowie der erste Vorstand gewählt. Fortan gab es eine Berufsgruppe, die für sich selbst sprechen wollte. Neben der Präsenz auf Messen und Kongressen widmet sich der Vorstand den fachlichen und überfachlichen Fragen zum Berufsbild. Daraus entstanden Stellungnahmen, Empfehlungen und der Nationale Ethikkodex Operationstechnischer Assistenten (NEO). Dies war ein wichtiger erster Schritt zur Emanzipation des Berufsbilds. Emanzipation meint, sich aus der Abhängigkeit anderer zu lösen, um eigenständig zu werden. Der Beruf ist mit seiner Entstehung ein Konstrukt von pflegerischen und ärztlichen Vorstellungen. Beides sind starke und traditionell gewachsene Akteure im Gesundheitswesen. Dieses Konstrukt ist nicht nur fachlich, sondern auch mit berufsspezifischen Sozialisationen umwoben. Zu hinterfragen wäre: Von welchen Intentionen sind die Konstrukteure geleitet worden? Wie sah ihre Vorstellung vom Endprodukt aus?

Die Frage, die sich der Berufsverband stellt: Wer sind wir in dieser Konstellation? Gehören wir zur Pflege und sind wir folglich ein Pflegeberuf oder gehören wir den medizintechnischen Berufen an? In der Erarbeitung des NEO orientierten wir uns sehr nah am Pflegeverständnis des International Council of Nurses (ICN). Es wurde lange und hitzig diskutiert, wo aus Sicht der OTA die OTA verankert werden sollten. Letztlich einigte man sich auf „einen medizintechnischen Beruf im pflegerischen Handlungsfeld“. Aus heutiger Sicht, mit den unzähligen Gutachten über Rechtssicherheit, Qualifikation und wie viel Pflege der OP braucht, muss diese Aussage revidiert werden. Operationstechnische Assistenz als Beruf umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung von Menschen aller Altersgruppen in Operations- und Funktionsabteilungen. Er ist laut Gutachten (Böhme) kein Assistenzberuf, sondern eine Tätigkeit, die den Arzt unterstützt. Die Berufsangehörigen sind Fachexperten in diesen Bereichen und versorgen und betreuen Patienten vor, während und nach Operationen/Eingriffen/Untersuchungen. Sie erfassen den Patienten als Individuum und berücksichtigen bei allen Prozessen seine Ressourcen. Sie planen ihre Tätigkeiten, führen sie fachgerecht und evidenzbasiert durch und evaluieren den Gesamtprozess. Das Tun und Handeln wird begleitet durch ethische Reflexionen.

Historisch betrachtet waren Pflegende in fast allen Bereichen des Krankenhauses zu finden. Egal ob Notaufnahme, OP, Röntgen, Labor oder Kinderzimmer – die Schwester war überall. Sie konnte alles, sie wusste alles und sie machte alles. In den Jahren entwickelte sich die Pflege weiter und zog sich aus vielen Bereichen zurück. Die Pflege hat sich emanzipiert. Das Verständnis der Pflege wird wissenschaftlich gestützt, der Akademisierungsprozess ist weit vorangeschritten und die Pflege tritt (wenn auch nur in kleinen Schritten) aus dem Schatten der Mediziner. Und nun treten wir aus eurem Schatten. Wir möchten als eigenverantwortlicher Gesundheitsfachberuf anerkannt werden. Wir möchten eine bundeseinheitliche Ausbildungs- und Prüfungsordnung, eine gesicherte Ausbildungsfinanzierung und darüber hinaus Zugang zu Hochschulen und Universitäten für einschlägige Studienmöglichkeiten der Berufspädagogik und des Managements – die Liste lässt sich fortsetzen. Aber vor allem wollen wir selbstbestimmen. Selbst- und Mitbestimmung über das, was wir sind, was wir können, was wir lernen und wohin wir uns weiterentwickeln wollen. Das sind große Ziele. Manche liegen näher, manche noch etwas ferner. Doch ein Anfang muss gemacht werden: Sonst schafft es das Kind nie, sich abzunabeln.

Benny Neukamm, OTA, Vorstandsmitglied DBOTA, Pflegepädagoge, Schulleiter

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