Z Gastroenterol 2019; 57(04): 542-543
DOI: 10.1055/a-0852-7478
Mitteilungen der ALGK
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Publication Date:
09 April 2019 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in dieser Ausgabe möchte ich die zwei wichtigen ALGK Umfragen „Hepatische Enzephalopathie“ und „Bestandsaufnahme Personalstruktur Gastroenterologische Kliniken“ erwähnen, die jetzt abgeschlossen sind und Ihnen bald interessante Ergebnisse liefern werden. Wir beabsichtigen die Ergebnisse mit allen Beteiligten nach Analyse zu publizieren. Da wir als ALGK die Mehrheit der Chefärzte und Kolleginnen/-en in Gastroenterologischer Leitungsfunktion nicht-universitärer Kliniken vertreten, dürften die Ergebnisse Gewicht haben.

Ich möchte Sie auf zwei aus meiner Sicht wichtige Arbeiten hinweisen. Die erste Arbeit ist bemerkenswert, da sie zum einen Daten aus Deutschland zeigt und zum anderen ein gutes Beispiel für den Stellenwert der Versorgungsforschung mit teilweise diskrepanten Ergebnissen im Vergleich zu randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) aufzeigt. Hier liegt u. a. ein großes Potenzial der ALGK, da wir durch unsere zahlreichen und repräsentativen Mitglieder der „real world“ sehr schnell große Datenmengen, die zu signifikanten Ergebnissen führen werden, generieren können. Ich verweise diesbezüglich auf unseren Beitrag im Juni-Heft 2018 der Zeitschrift für Gastroenterologie (Frieling T. Die ALGK informiert. Z Gastroenterol 2018; 56: 701 – 703). Dies zeigen wir ja bereits eindrucksvoll durch die ProSed-Studien bezüglich der Propofol-Sedierung. Die zweite Arbeit ist interessant, da sie auf das Potenzial von Acetylsalicylsäure auch jetzt beim hepatozellulären Karzinom (HCC) hinweist.

Wenn Studienergebnisse und die reale Welt divergieren (Dt Ärzteblatt 2019; Jg. 116, Heft 9, 1. März 2019: B 344–B 355).

Hier wird eine Arbeit aus Deutschland über die direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) dargestellt (Mueller S et al. Real-world effectiveness and safety of oral anticoagulation strategies in atrial fibrillation: a cohort study based on a german claims dataset. Pragmatic and observatiobnal. Research 2018; 9: 1 – 10), die unseren klinischen Eindruck bestätigt. Seit 2011 stehen für Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern die DOAKs mit den 4 zugelassenen Präparaten Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban und Endoxaban zur Verfügung. Sie sollen nach den verfügbaren RCTs mindestens ebenso oder sogar besser wirksam sein als eine dosisangepasste Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA). Basierend auf den Daten 3er deutscher Krankenkassen an 38 000 AOK-Versicherten schneiden die DOAKs unter „real world“-Bedingungen offenbar aber schlechter ab, als VKA. Nach einem Jahr Therapie mit DOAKs waren im Vergleich zu VKA

  • signifikant mehr Patienten verstorben

  • signifikant mehr Patienten an einem ischämischen oder nicht spezifizierten Schlaganfall oder transienten ischämischen Attacke oder Herzinfarkt oder Arterienembolie oder schweren Blutungen erkrankt

Als mögliche Gründe für die Diskrepanz werden die unterschiedlichen Patientenpopulationen zu den RCTs, die sich meist dra stisch von denen in der täglichen Praxis unterscheiden, aufgeführt. Gerade bei den schweren Blutungen sind wir klinischen Gastroenterologen gefordert. Diese Studie bestätigt unseren Eindruck, dass die Blutungen unter DOAKs schwerwiegender sind. In diesem Zusammenhang möchte ich auf unseren Beitrag im April-Heft 2018 der Zeitschrift für Gastroenterologie bezüglich der Notfallendoskopien hinweisen (Frieling T. Die ALGK informiert. Z Gastroenterol 2018; 56: 427 – 429).

Jahrelange Einnahme von ASS senkt das Risiko für Leberkrebs deutlich.

Die zweite Arbeit (Simon TG, et al. Association between aspirin use and risk of hepatocellular carcinoma. JAMA Oncol 2018; 4: 1683 – 1690) befasst sich mit dem Einfluss von ASS auf die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms. In dieser Arbeit an 133.371 Studienteilnehmern konnte gezeigt werden, dass der regelmäßige Gebrauch von 2 oder mehr Standarddosierungen von 325 mg ASS pro Woche mit einem deutlich reduzierten HCC-Risiko von etwa 50 % assoziiert war (HR 0,51/ 95-%-Konfidenzintervall 0,34; 0,77). Besonders deutlich wurde der protektive Effekt von ASS ab 5 Jahren regelmäßiger Einnahme (HR 0,41/0,21; 0,77). Die Risikominderung war bei zirrhotischen und nicht-zirrhotischen Patienten vergleichbar. Diese Ergebnisse sind mit der präventiven Wirkung von ASS beim kolorektalen Karzinom vergleichbar. Eine abschließende Beurteilung ist allerdings aufgrund des noch fehlenden Wissens über die molekularen Wirkmechanismen bzw. die Blutungsrisiken noch nicht möglich.

Eine Parallele ergibt sich zum kolorektalen Karzinom. Hier zeigt eine Metaanalyse von 2 großen randomisierten Studien mit zusammen über 7500 Teilnehmern, dass die Einnahme von 300 mg oder mehr Acetylsalicylsäure pro Tag für 5 Jahre mit einer Latenz von 10 und mehr Jahren das Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, senkt (Flossmann E and Rothwell PM. Effect of aspirin on long-term risk of colorectal cancer: consistent evidence from randomised and observational studies. Lancet 2007; 369: 1603 – 1613). Eine andere Metaanalyse, die insgesamt 8 randomisierte Studien mit zusammen 25 570 Teilnehmern analysiert hat, weist nach, dass die tägliche Einnahme von mindestens 75 mg ASS mit einer Latenz von 10 Jahren die Mortalität am kolorektalen Karzinom senkt (Rothwell PM et al. Effect of daily aspirin on long-term risk of death due to cancer: analysis of individual patient data from randomised trials. Lancet 2011; 377: 31 – 41). In der aktuellen Leitlinie zum kolorektalen Karzinom (Leitlinienprogramm Onkologie | S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom | Version 2.1 | Januar 2019, www.dgvs.de) wird Acetylsalicylsäure allerdings z. Zt. nicht zur Primärprävention des kolorektalen Karzinoms in der asymptomatischen Bevölkerung empfohlen (Statement 3.17., Empfehlungsgrad A, Evidenzlevel 2a), da die Befunde noch nicht durch randomisierte Studien bestätigt sind und das Nutzen-Risiko-Verhältnis aufgrund der gehäuften Inzidenz von gastrointestinalen Blutungen unter ASS noch nicht abzuschätzen ist.

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre viel Freude und würde mich über Ihre Vorschläge für Sie interessanter Themen und Beiträge sehr freuen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Prof. Dr. med. Thomas Frieling
Vorsitzender der ALGK

Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Thomas Frieling
Direktor der Medizinischen Klinik II
Innere Medizin mit Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie, Neurogastroenterologie, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin
HELIOS Klinikum Krefeld
47805 Krefeld
Lutherplatz 40
Tel.: 02 151/322 707
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