Zusammenfassung
Die im Frühjahr 2016 eingeführte Sepsisdefinition (Sepsis-3) stellt ein neues Erklärungsmuster
für das klinische Bild der Sepsis vor. Sepsis wurde bisher als systemische Entzündungsantwort
(Systemic Inflammatory Response Syndrome, SIRS) infolge einer Infektion definiert.
Besseres Verständnis der molekularen Mechanismen und große epidemiologische Untersuchungen
zum klinischen Erscheinungsbild verschoben den Fokus bei der neuen Sepsisdefinition
von der Entzündungsantwort auf den Gewebeschaden und die hierdurch induzierte Einschränkung
der Organfunktion. Im Zentrum der Betrachtung steht also nicht mehr die systemische
Entzündungsantwort, sondern das, was eine Sepsis sowohl in der Erkrankungsdynamik
als auch im Outcome so gefährlich macht: das Organversagen aufgrund einer Infektion.
Dieser neuen Definition liegt die Beobachtung zugrunde, dass Sepsis heterogene Patientengruppen
umfasst und dass das Syndrom nicht allein durch eine „überschießende“ Entzündungsantwort,
sondern auch durch eine „Immunparalyse“ erklärt werden kann. Darüber hinaus wird der
Erkrankungsverlauf maßgeblich von der Kapazität des Organismus bestimmt, den Gewebeschaden
durch metabolische Anpassungs- und Reparaturprozesse zu begrenzen. Für das Überleben
der Sepsis ist daher entscheidend, inwieweit der Organismus bei Entwicklung einer
Infektion adaptieren kann. Schwerverletzte und Polytraumapatienten stellen in diesem
Kontext ein besonders gefährdetes Patientenkollektiv für die Entwicklung einer Organdysfunktion
infolge nosokomialer Infektionen dar. Pathophysiologisch sind neben Störungen der
Haut- und Darmbarriere bei Schwer- und Mehrfachverletzten die Beeinträchtigungen der
Defensiv- und Reparatursysteme für die Infektionsanfälligkeit von besonderer Bedeutung,
die daneben durch Begleiterkrankungen, abgelaufene Infektionen und Alter mit beeinflusst
wird. Neuere Erkenntnisse legen dabei nahe, dass der Kontrolle des extrazellulären
Häms hierfür eine Schlüsselrolle zukommt. Hämolyse, Transfusion und die konsekutive
Expression von hämbindenden (wie Hämopexin) oder hämabbauenden Proteinen (wie Hämoxygenase)
triggern das Versagen der Wirtsantwort, korrelieren mit der Prognose und/oder werden
maßgeblich vom chirurgischen Behandlungskonzept beeinflusst. Daneben haben etablierte
Behandlungskonzepte zur früheren kausalen und supportiven Therapie (insbesondere Herdsanierung/„Damage
Control“, Antibiose und Volumenersatz) zur Reduktion der Sterblichkeit septischer
Patienten beigetragen; allerdings ist die Einbettung in „Standard Operating Procedures“
(SOPs) und Qualitätsmanagementprogramme entscheidend für den Erfolg. Der gegenwärtige
Paradigmenwechsel im Sepsisverständnis erlaubt neue Einblicke in die Pathogenese,
gerade bei komplexen Patientenkollektiven wie nosokomialer Sepsis nach Trauma. Diese
neuen Ansätze tragen zur Entwicklung neuer Behandlungsstrategien bei, die die Morbidität
und Mortalität von Traumapatienten maßgeblich reduzieren können.
Kernaussagen:
1) Bei Entwicklung einer Sepsis ist es für das Überleben entscheidend, inwieweit der
Organismus mit Abwehr- und Reparaturprozessen reagieren kann.
2) Schwerverletzte und Polytraumapatienten sind durch Störungen dieser Adaptionsmechanismen
besonders für septische Verläufe prädisponiert.
3) Etablierte Behandlungskonzepte zur früheren kausalen und supportiven Therapie (insbesondere
Herdsanierung, Antibiose, restriktive Transfusionsregime und Volumenersatz) reduzieren
die Sterblichkeit, insbesondere wenn sie in Qualitätsmanagementprogramme eingebunden
werden.
4) Neue Behandlungskonzepte zur Kontrolle des extrazellulären Häms bei Schwer- und
Mehrfachverletzten sind vielversprechend und sollten weiter erforscht werden, da hieraus
neue Therapieoptionen abgeleitet werden können.
Schlüsselwörter
Sepsis - Sepsis-3 - nosokomiale Infektion - Trauma - Polytrauma - Häm