Pneumologie 2019; 73(03): 139-140
DOI: 10.1055/a-0856-1761
Leserbrief
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Leserbrief

Marcial Velasco Garrido
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Publication Date:
12 March 2019 (online)

Es ist besorgniserregend, dass der Vorstand der DGP „gerne der Bitte unseres Past‐Präsidenten und Ehrenmitglieds Prof. Dr. med. Dieter Köhler nach[komme]“ [1] und unter seinen Mitgliedern die Stellungnahme zur Gesundheitsgefährdung durch umweltbedingte Luftverschmutzung, insbesondere Feinstaub und Stickstoffverbindungen (NOx) mit dem Kommentar verbreitet, dass die Autoren sich darin „besonders mit der Methodik von Studien zum Thema und mit den aktuellen Grenzwerten für Feinstaub und NOx auseinander[setzen]“ [1]. Eine Stellungnahme, die ohne Belege für den sowohl unterstellten systematischen Fehler als auch die behauptete einseitige Interpretation, ohne eine Quellenangabe, ohne einen einzigen Literaturverweis den Beitrag umweltepidemiologischer Studien zum Erkenntnisgewinn in dem Themenfeld pauschal abstreitet [2].

Es irritiert sehr, dass die DGP die Veröffentlichung der von Prof. Köhler, Prof. Koch, Prof. Hetzel und Prof. Klingner verfassten Stellungnahme zudem als Beitrag zur „Versachlichung und kritische Meinungsbildung“ und „als Anstoß für notwendige Forschungsaktivitäten und eine kritische Überprüfung der Auswirkungen von Stickoxiden und Feinstaub“ [3] versteht. Allein die Tatsache, dass die Initiatoren der Stellungnahme mit dem „Argument“ Unterstützung suchen, dass eine Absenkung der Grenzwerte „[…] zum Schließen vieler Innenstädte führen [würde] und ganz erhebliche politische Probleme mit vermutlich chaotischen, möglicherweise auch gewaltbereiten Szenarien nach sich ziehen [würde]“[4], hätte erkennen lassen müssen, dass es bei dem o. g. Papier weder um Versachlichung noch um eine wissenschaftliche Kontroverse geht.

Noch besorgniserregender ist allerdings, dass die DGP mit ihrer Pressemeldung [3] gegenüber der Öffentlichkeit den Anschein erweckt, die o. e. beleglose Stellungnahme würde einen fundierten Beitrag darstellen, dem ein ähnlicher Stellenwert zuzuschreiben ist, wie zahlreichen unabhängig voneinander durchgeführten epidemiologischen Studien und insbesondere auch dem im November veröffentlichten Positionspapier der DGP „Atmen: Luftschadstoffe und Gesundheit“ [5]. Während die von Köhler et al. aufgereihten Behauptungen lediglich durch den Verweis auf einen im September im Deutschen Ärzteblatt ohne vorherigen Peer Review veröffentlichten Artikel des Prof. Köhler selbst [4] unterfüttert werden, fassten Schulz et al. in ihrer fundierten Übersichtsarbeit, dem Positionspapier der DGP, die Ergebnisse und wissenschaftliche Erkenntnisse aus mehr als 400 Veröffentlichungen zusammen [5].

Mit der unkritischen Verbreitung der aktuellen Stellungnahme von Köhler et al. trägt die DGP damit keineswegs zur „Versachlichung und kritische Meinungsbildung“ sondern zur unwissenschaftlichen, durch wirtschaftliche Interessenkonflikte erklärbare Meinungsmache [6] bei. Kann es sein, dass niemandem im Vorstand der DGP aufgefallen ist, dass zwei der Initiatoren dieser Stellungnahme Verbindungen zur Automobilindustrie haben? So Prof. Klingner, der in einer Stellungnahme für den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages behauptete – auch damals übrigens ohne jegliche wissenschaftliche Nachweise zu liefern –, dass „mit einer sehr einfachen Rechnung epidemiologische Studien, die zehntausende Todesfälle auf die verkehrsbedingten […] Belastungen zurückführen, ad absurdum zu führen [seien]“ [7]. Unter den Auftraggebern des von ihm geleiteten Fraunhofer Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme sind unter anderem VW, Daimler, Audi zu finden [8]. Und Prof. Koch … jahrelang Motorenentwickler bei Daimler … [9].

Eine ihrer Rolle gerecht werdende wissenschaftliche Fachgesellschaft der Pneumologinnen und Pneumologen muss auf die Offenlegung der potenziellen Interessenkonflikte der Autoren bestehen, bevor sie deren Stellungnahme unter den Mitgliedern und der Öffentlichkeit verbreitet.

In Zeiten, in denen die Wissenschaftsredaktionen extreme Meinungen direkt durchzureichen scheinen, zeigt die initial völlig unkritische und unsachliche mediale Resonanz auf die Stellungnahme von Köhler und Co., wie wichtig es gewesen wäre, dass die DGP hier ihre Rolle als wissenschaftliche Instanz ernst genommen hätte.

In diesem medialen Schlamassel, und nicht zuletzt durch die sehr unglückliche Pressemeldung der DGP wurde der Stellenwert der Epidemiologie als wertvolle Methode des Erkenntnisgewinns für die Medizin angezweifelt. Auch wenn der fahrlässig oder mutwillig verursachte Schaden für das gesundheits- und umweltpolitische Klima im Hinblick auf Luftschadstoffe nicht wieder gut zu machen ist, wäre es dennoch fair, wenn sich die Gesellschaft jetzt genauso medienwirksam und die große Öffentlichkeit suchend in ihrem Handeln kritisch hinterfragen und berichtigen würde. Es ist eben dieser angezweifelten Epidemiologie zu verdanken, dass wir Ärztinnen und Ärzte Kenntnisse der Schädlichkeit von Rauchen, Asbest und viele anderen Risikofaktoren haben.

Dr. med. Marcial Velasco Garrido