Z Gastroenterol 2019; 57(04): 538
DOI: 10.1055/a-0873-3048
Der bng informiert
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Trichinen bringen sich in Erinnerung

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Publication Date:
09 April 2019 (online)

Als niedergelassener Gastroenterologe ist man überwiegend damit ausgelastet, fest terminierte Endoskopien abzuarbeiten, mit dem Fokus auf sehr umschriebene Fragestellungen. Aber das „Salz in der Suppe“ sind doch die Fälle, die nicht mit Routine alleine zu lösen sind.

So stellte sich vor einigen Jahren ein damals 54-jähriger Patient in unserer Praxis vor. Als Veranstalter von Jagdreisen ist er ständig weltweit unterwegs und deshalb auch ohne festen Hausarzt. Er sei soeben aus der kanadischen Arktis zurück und benötige wegen einer Erkältung ein Antibiotikum, um in einer Woche zur nächsten Tour nach Kamtschatka zu fliegen.

Er habe sich beim Hinflug in die Arktis von einem neben ihm sitzenden Inuit eine schwere Bronchitis zugezogen, ohne Besserung durch ein Antibiotikum eines Jagdkunden. Er habe jetzt Gliederschmerzen und die Nackenmuskulatur schmerze. Das Gesicht des Patienten wirkte geschwollen, die Augen gerötet, die übrige körperliche Untersuchung des athletischen Mannes war unauffällig. Beim weiteren gezielten Nachfragen über die Bedingungen der Reise, berichtete er, man habe dort auch Eisbär- und Robbenfleisch gegessen. Damit bestand der hochgradige Verdacht auf einen Trichinenbefall, insbesondere, wenn man sich schon mal für das Leben der Menschen am Polarmeer interessiert hat.

Die daraufhin veranlassten Laboruntersuchungen zeigten eine Eosinophilie von 28 Prozent, eine CK von 265 U/l (< 190) und ein leicht erhöhtes CRP von 32 mg/l (< 5). Das Ergebnis von Trichinella-AK sollte allerdings frühestens in einer Woche vorliegen. Wegen der geplanten nächsten Reise bestand Zeitdruck und wir wollten unsere Verdachtsdiagnose mit einem Experten erörtern. Im parasitologischen Institut der Uniklinik Bonn war sofort Frau Dr. Reiter-Owona zu erreichen. Sie hielt die Diagnose einer Trichinellose für sehr wahrscheinlich und empfahl den sofortigen Therapiebeginn mit Mebendazol 500 mg in einer eskalierenden Dosis über 14 Tage und initial Prednisolon 50 mg, um eine mögliche Herxheimerreaktion zu verhindern.

So wurde zwei Tage nach Erstvorstellung mit der Therapie begonnen. Da er vier Tage später keine Besserung verspürte, stellte sich der sehr beunruhigte Patient dann am Wochenende selbst in der Uniklinik Bonn vor. Dort wurden dieselben Befunde erhoben und die Therapie fortgeführt. Während der von uns veranlasste Immunoblot ein negatives Ergebnis zeigte, waren eine Woche später in Bonn ein hochpositiver IFT und Westernblot beweisend.

Bei einer abschließenden Vorstellung bei Prof. Thilo Sauerbruch (damals Uniklinik Bonn) zwei Wochen später, war der Patient beschwerdefrei und es war keine Eosinophilie mehr nachweisbar.

Auch wenn die Trichinellose in Deutschland praktisch nicht mehr vorkommt, kann es immer wieder zu lokalen Ausbrüchen kommen, sodass man diese Möglichkeit im Hinterkopf behalten sollte. Trichinella nativa (arktische Variante) ist kältetolerant und kann deshalb auch noch nach Einfrieren in der Tiefkühltruhe vital bleiben. Räuchern und Trocknen töten ebenfalls nicht zuverlässig ab. Empfohlen wird Erhitzen mit einer Kerntemperatur von mindestens 71 Grad Celsius.

Aus Italien wurden Fälle nach dem Genuss von Trockenwurst berichtet, welche aus Bärenfleisch (Wilderei) hergestellt worden war. Entscheidend ist, bei solchen Konstellationen an diese Diagnose zu denken. Antikörpertiter können beim Erstkontakt noch negativ sein. Die Behandlung zielt auf den intestinalen Wurm ab, die enzystierten Muskellarven sind wohl kaum mehr zu erreichen. Die Beratung durch einen erfahrenen Parasitologen haben wir als sehr wertvoll empfunden.