Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2019; 51(03): 141-144
DOI: 10.1055/a-0915-4828
Praxis – Interview
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Brokkoli und Co – nicht nur etwas bei Bauchspeicheldrüsenkrebs

Ingrid Herr
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Publikationsdatum:
26. September 2019 (online)

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Unsere Gesprächspartnerin: Frau Prof. Dr. Ingrid Herr

Frau Prof. Dr. rer. nat. Ingrid Herr leitet die Sektion Chirurgische Forschung und AG Molekulare OnkoChirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg. Die Biologin studierte an der Universität in Ulm, promovierte am Forschungszentrum Karlsruhe und verfasste zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und Publikationen in namhaften international anerkannten Fachmagazinen. Ihre wissenschaftlichen Leistungen wurden unter anderem mit einem Preis für Leukämieforschung und dem Sebastian-Kneipp-Preis gewürdigt. Seit 2006 befasst sie sich mit Stammzellforschung für Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs. In einem Teil der Studien erforscht sie die Wirkung von sekundären Pflanzenstoffen aus Kreuzblütlerpflanzen (z. B. Brokkoli).

DZO: Seit Jahren forschen Sie an der sogenannten „Senfölbombe“, dem Scharfmacher von Senf und Meerrettich. Was genau versteckt sich hinter diesem Begriff und welche Lebensmittel außer Senf und Meerrettich sind hier besonders interessant?

Vielen Dank für diese interessante Frage. An der Senfölbombe direkt forschen wir eigentlich nicht, sondern vielmehr am Senföl Sulforaphan, das von der „Bombe“ produziert wird. Senföle und Indole sind therapeutisch wirksame bioaktive Stoffe der Kreuzblütler, eine Pflanzenfamilie, die botanisch korrekt als Brassicaceae bezeichnet wird. Dazu gehören Brokkoli, Blumenkohl und sonstige Kohlsorten, aber auch Kresse, Kapuzinerkresse, Rucola, Radieschen, Rettich, Meerrettich, Raps (-öl) und Senf. Es gibt mehr als 120 verschiedene Senföle und Indole, deren Vorkommen in den verschiedenen Kreuzblütlerarten variiert. Besonders gut erforscht ist Sulforaphan, das in hoher Konzentration in Brokkoli und seinen Sprossen steckt. Ein Schwefel,- Stickstoff- und Zuckerrest machen es hoch reaktiv. Da die Pflanze selbst nicht verletzt werden möchte, lagert sie das Sulforaphan einfach als inaktiven Sprengsatz namens Glucoraphan in einem Zellkompartiment. Das Enzym Myrosinase dient als Zünder und lagert getrennt in einem anderen Zellkompartiment. Nach Verletzung der Pflanzenzelle, also wenn beide Komponenten zusammenkommen, geht die Bombe hoch und Sulforaphan entsteht. Das passiert immer dann, wenn ein Würmchen, Raupe, Laus, Bakterium, Virus oder Pilz der Brokkolipflanze zusetzt, oder wenn wir das Gemüse zerschneiden und kauen.

DZO: Sie waren weltweit die erste Forschergruppe, die in Laborversuchen an Mäusen gezeigt hat, dass Sulforaphan die besonders aggressiven Tumorstammzellen angreift.

Sulforaphan aus Brokkoli mit seiner breitgefächerten Wirkung kennt man schon lange, spätestens seit der Darmkrebserkrankung des ehemaligen US Präsidenten Ronald Reagan und der Empfehlung seiner Ärzte, viel Brokkoli zu essen. Sulforaphan ist mittlerweile eines der am besten untersuchten bioaktiven Mittel mit entzündungshemmenden, antimykotischen, antibakteriellen, antiviralen und antioxidativen Eigenschaften. Darüber hinaus wirkt es indirekt entgiftend, hemmt die Zellteilung von Krebszellen und treibt diese in den programmierten Zelltod. Ich bin 2007 auf Sulforaphan aufmerksam geworden, als Ergebnisse einer kanadischen Bevölkerungsstudie an 1000 Männern mit Prostatakrebs publiziert wurden. Wenn häufig Brokkoli oder Blumenkohl gegessen wurde, war das Risiko der Metastasierung um die Hälfte reduziert. Und das schon bei einer normalen Essensportion, wobei die Daten aussagekräftiger wurden, wenn drei- bis fünfmal wöchentlich Brokkoli oder Blumenkohl auf dem Speiseplan standen.

In Brokkoli und Blumenkohl musste also eine Substanz enthalten sein, welche Metastasierung verhindern kann. Und Metastasierung wird als Eigenschaft der besonders aggressiven Tumorstammzellen gesehen. Diese gelten als Wurzel und treibende Kraft des Tumorwachstums. Sie kommen nur in geringer Konzentration von wenigen Prozent im Tumor vor, sind jedoch ziemlich widerstandsfähig. Die meisten Chemo- und Radiotherapien können den Tumorstammzellen nichts anhaben, es sterben nur die mehr differenzierten Tumorzellen. Wenn aber nur eine Tumorstammzelle nach einer Operation oder einer Chemotherapie zurückbleibt, kann diese den Tumor erneut ausbilden. Daher wird weltweit nach Substanzen gesucht, die vor allem diese Tumorstammzellen treffen. Und siehe da, unsere Forschungsdaten ergaben, dass Sulforaphan Entzündungsparameter hemmt und damit die Achillessehne der Tumorstammzellen trifft.

DZO: Wie genau sahen diese Versuche aus und was für eine Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?

Wir haben Laborexperimente und In-vivo-Versuche mit transplantierten humanen Tumoren der Bauchspeicheldrüse durchgeführt und mittlerweile auch die Wirkung von Brokkolisprossen bei Patienten getestet. Für Experimente diente hochreines, standardisiertes Sulforaphan, das kommerziell und ausschließlich für Versuchszwecke bei der chemischen Industrie erhältlich ist. Für Experimente wurde es frisch in Ethanol angesetzt. Wir züchteten unsterbliche Pankreaskarzinomzellen in vitro in der Petrischale in einem speziellen Nährmedium. In vivo wurden humane Tumorkopien auf Mäusen oder Bruteiern kultiviert. Diese experimentellen Modelle wurden mit Sulforaphan in An- oder Abwesenheit von Chemotherapie behandelt. Zu bestimmten Zeiten wurde dann untersucht, welche zellulären Signalwege Sulforaphan aktiviert hat und ob Tumorstammzellmarker inhibiert wurden. Wir stellten fest, dass die Tumorstammzellen des Pankreaskarzinoms sich durch die Aktivierung eines speziellen Mechanismus, dem NF-κB-Signalweg, vor der herkömmlichen Chemotherapie schützen. Sulforaphan setzte jedoch den NF-κB-Stoffwechselweg auf den Normalwert zurück und machte damit die gefährlichen Zellen für die Chemotherapie verletzlich. Inzwischen konnten wir und andere Forscher zeigen, dass Sulforaphan auch bei Prostata- und Brustkrebs ähnliche Wirkung entfaltet.

Sulforaphan ist jedoch nicht der einzige Naturstoff gegen Tumorstammzellen. Inzwischen haben wir und überhaupt die weltweite Forschung festgestellt, dass viele weitere entzündungshemmende bioaktive Stoffe existieren, die mit der täglichen Nahrung aufgenommen werden. Bei einer vernünftigen Ernährungsweise sollten also keine Supplemente notwendig sein. Neben Polyphenolen aus Beeren, Nüssen und grünem Tee, ist vor allem auch das Aspirin interessant. Dieses wurde ursprünglich aus der Pflanzensubstanz Salicinsäure entwickelt. Salicinsäure findet sich in Weidenrinde und in sehr vielen leicht säuerlich schmeckenden Obst- und Gemüsesorten; d. h., eine pflanzenbasierte Ernährung ist immer gleichzeitig auch eine entzündungshemmende Ernährung. Dagegen Fleisch und Wurst, und besonders in gepökelter, gegrillter oder stark erhitzter Form, haben ein hohes Entzündungspotenzial und werden mit Darmkrebs in Verbindung gebracht. Ebenso gilt rohes Fleisch wie Tartar, oder nur kurz gebratenes, innen noch blutiges Steak, als krebserregend. Das liegt vor allem an Krebsviren, aber auch an anderen Krankheitserregern, die mangels Hitze überleben können.

DZO: Gibt es auch Interventionstudien mit Patienten? Und welche Daten gibt es zur Prävention?

Seit langem zeigen Bevölkerungsstudien, in denen Ernährungsgewohnheiten mit dem Krebsrisiko korreliert wurden, dass der häufige Verzehr von Kohl bei manchen Menschen die Entwicklung und teilweise auch die Metastasierung von Bauchspeicheldrüsenkrebs sowie von Brust-, Nieren-, Blasen- und Prostatakrebs hemmen kann. Allerdings haben Bevölkerungsstudien einen Haken, weil sie nicht prospektiv sind, das heißt, sie werten zurückliegende Ereignisse aus. Die Probanden müssen Fragebögen ausfüllen. Man kann nicht wirklich sicher sein, ob nicht die ein oder andere Angabe zur Ernährung beschönigt wurde. Viele andere Faktoren spielen mit hinein, z. B. ob der Proband in Süd- oder Nordeuropa lebt, wo sich die Ernährungsgewohnheiten grundlegend unterscheiden, oder ob Umwelteinflüsse und individuelle Lebensstilfragen das Krebsrisiko mit beeinflussen.

In jüngster Zeit wurden jedoch einige sehr kleine, prospektive Pilotstudien mit Brokkolisprossen durchgeführt. Eine dieser Studien wurde bei 20 Männern mit fortgeschrittenem Prostatakrebs an der Oregon Health and Science University (OHSU) und am OHSU Knight Cancer Institute in Portland, Oregon, USA, durchgeführt. Eine tägliche Dosis von 200 µmol Sulforaphan aus Brokkolisprossenextrakten wurde 20 Wochen lang verabreicht. Es kam zu einer deutlichen Erniedrigung des PSA-Spiegels, also des Tumormarkers für Prostatakrebs: Ein Patient hatte einen PSA-Abfall von über 50% und 7 Patienten hatten PSA-Rückgänge unter 50%. Während der Einnahme von Sulforaphan verlängerte sich die PSA-Verdopplungszeit bei allen 20 Patienten aussagekräftig, mit einem Durchschnitt von 9,6 Monaten im Vergleich zu 6,1 Monaten ohne Einnahme von Sulforaphan. Die sulforaphanreichen Extrakte wurden als sicher eingestuft, da keine unerwünschten Ereignisse 3. Grades auftraten.

Frühere Studien mit ähnlichen Konzentrationen an Brokkolisprossenextrakten bestätigen, dass diese Sulforaphankonzentrationen für Patienten unbedenklich sind.

Eine weitere Studie bewertete Brokkolisprossenextrakte bei 17 Patienten mit verdächtigen Muttermalen. Achtundzwanzig Tage nach Einnahme wurden keine dosislimitierenden Toxizitäten der Brokkolisprossenextrakte beobachtet. Nach der Verabreichung stiegen die Sulforaphanwerte im Blut wie erwartet dosisabhängig an. Darüber hinaus sanken die Entzündungsstoffe im Blut und der Gehalt des Tumorsuppressors Decorin stieg an.

DZO: Sie haben aktuell eine eigene Studie veröffentlicht.

Wir haben zum ersten Mal eine Brokkolisprossen-Studie mit Wirkstoffgruppe und Placebogruppe durchgeführt. Diese kleine Pilotstudie mit 40 Patienten mit fortgeschrittenem Bauchspeicheldrüsenkrebs wurde am 27. Juni 2019 in der internationalen Fachzeitschrift Investigational New Drugs publiziert [1]. In der Heidelberger Brokkolistudie nahmen 29 Patienten Brokkolisprossen und 11 Patienten ein Placebo ein, beides in Kapseln verpackt. Die Brokkolisprossenkapseln enthielten 90 mg (508 µmol) Sulforaphan, zusätzlich zu 180 mg (411 µmol) des Vorläuferstoffs Glucoraphan. Im Vergleich zur Placebogruppe war die rechnerisch ermittelte durchschnittliche Sterblichkeitsrate während der ersten 6 Monate in der Brokkoligruppe niedriger (Tag 30: 0%/18%, Tag 90: 0%/25%, Tag 180: 25%/43%), und die Kaplan-Meier Überlebensanalyse zeigte ein höheres Überleben. Diese Daten sind statistisch gesehen leider nicht aussagekräftig (p = 0,291 für den Endpunkt am Tag 180) und könnten prinzipiell Zufall sein. Die vorliegenden Zahlen sind jedoch als positiver Effekt zu verzeichnen, denn es hätte ja auch andersherum sein können. Die hohe vorzeitige Abbruchquote seitens der Patienten (72% in der Brokkolisprossengruppe und 55% in der Placebogruppe) zeigt, dass die Einnahme von 15 Kapseln täglich eine hohe Hürde darstellt. Dies mag zum einen an der Verstärkung von Verdauungsbeschwerden durch Brokkolisprossen, zum anderen an der teilweise rapiden Verschlechterung der Erkrankung liegen. Auswirkungen der Sprossen auf die Lebensqualität nach der Skala des Karnofsy-Index wurden erfreulicherweise nicht beobachtet, was die Daten vorangegangener Studien bestätigt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ergebnisse der Pilotstudie vielversprechend sind. Sie unterstützen die Entwicklung eines Sulforaphan-Medikaments für weiterführende Studien.

DZO: Bei welchen Tumorarten ist der Verzehr von Kreuzblütlern besonders vielversprechend?

Gemüse der Kreuzblütlerfamilie sollte generell Bestandteil jeder gesunden Ernährung sein ([Abb. 1]). Dieses Gemüse wirkt entzündungshemmend, unterstützt die gesunden Darmbakterien und sorgt für eine geregelte Verdauung. Beispielsweise kann man durch den regelmäßigen Verzehr von Brokkolisprossen einer Besiedlung des Magens mit dem weit verbreiteten Helicobacter-pylori-Bakterium vorbeugen. Gegen Sodbrennen hilft gut ein Radieschen, ein Esslöffel Senf oder Sauerkraut. Bei Tumorerkrankungen könnte das Gemüse speziell bei Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs positive Wirkung zeigen, zumindest sprechen In-vitro-, In-vivo-, epidemiologische Studien und seit neuestem auch kleinere Pilotstudien dafür. Sehr wahrscheinlich wirkt sich ein häufiger Verzehr des Kreuzblütlergemüses auch bei anderen Tumorentitäten positiv aus, denn Sulforaphan hemmt Entzündungsreaktionen und nimmt dadurch den Nährboden für das Wachstum von Tumorstammzellen.

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Abb. 1 Kreuzblütlergemüse. Foto: Prof. Dr. Ingrid Herr.

DZO: In welcher Dosis sollte Sulforaphan aufgenommen werden?

Die Frage nach der Dosis höre ich täglich von anfragenden Patienten, kann sie jedoch mangels Daten leider nicht beantworten. Es gibt sogar Patienten, die sich aufgrund der experimentellen Daten nur noch ausschließlich mit Brokkoli ernähren. Das halte ich für grundsätzlich falsch, weil aus experimentellen Dosen nicht auf die optimale Dosis beim Patient geschlossen werden kann. Ich halte auch die Hoffnung für falsch, dass eine künftige Brokkoli-Superpille schon alles wieder richten wird. Es kommt meiner Meinung nach viel mehr auf die Gesamtheit eines angepassten Lebensstils, einer vernünftigen Ernährung, und eines gesunden Umfelds an. Auch chronischer Stress könnte ein Krebswachstum unterstützen. Beispielsweise gehen schwerwiegende persönliche Probleme, Einsamkeit, unglückliche Beziehungen, beruflicher Stress oder nicht verarbeitete Konflikte mit ständig erhöhten Kortisol-Spiegeln einher. Diese unterdrücken das Immunsystem und spielen beim Krebswachstum eine entscheidende Rolle.

Zurück zur Sulforaphan-Dosis: Das Optimum wurde bei Mäusen, nicht jedoch bei Krebspatienten ermittelt. Bisher wurden bei kleinen Patientenstudien einfach pi-mal-Daumen irgendwelche Konzentrationen ausprobiert. Was man sagen kann, ist, dass Brokkolisprossen mit 90 mg (508 µmol) Sulforaphan, zusammen mit 180 mg (411 µmol) des Vorläuferstoffs Glucoraphan, über ein halbes Jahr lang eingenommen, keine schwerwiegenden toxischen Nebenwirkungen hatten, abgesehen von Blähungen, wie üblich bei Kohl. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass ich bei der täglichen Einnahme von Brokkolisprossenkapseln einen solchen Ekel vor dem konzentrierten Kohlgeschmack bekommen habe, dass mir eine Einnahme länger als zwei Wochen nicht möglich war. Für wichtig halte ich eine ausgewogene, pflanzenbasierte Ernährung, in die täglich eines der vielen Kreuzblütlergemüse integriert ist.

DZO: Und kann der Verzehr von Kohl nicht problematisch sein, wenn Patienten einen Schilddrüsenkropf haben?

Kohl enthält sogenannte „goitrogene“ Stoffe, die mit Jod konkurrieren und so einen Jodmangel und dadurch einen Kropf verursachen können. Ein „Kohlkropf“ kommt tatsächlich vor. Beobachtet hat man ihn vor allem während des Zweiten Weltkriegs, als es zwar viel Kohl und Sauerkraut, aber sonst fast nichts zu essen gab. Wenn dann noch jodarme Böden wie auf der Schwäbischen Alb mit im Spiel waren, konnte leicht ein Kohlkropf entstehen. Auch beim Vieh beobachtet man bisweilen toxische Nebenwirkungen des Rapskuchens, also der eiweißreichen Pressrückstände der Rapsölherstellung, die ans Vieh verfüttert werden. Allerdings wurde aus den heutigen Rapssorten der Gehalt an Glucosinolaten und Erucasäure fast gänzlich herausgezüchtet, um sie verträglicher und schmackhafter zu machen. Der Landwirt weiß jedoch, dass er Rapskuchen nie alleine, sondern in einem bestimmten Mischungsverhältnis mit anderem Futter verabreichen muss, damit das Vieh nicht krank wird. Diese Regel gilt auch für den Mensch: Bei ausreichender Jodversorgung und Verzehr von Kreuzblütlergemüse im Rahmen einer gesunden Mischkost ist die Entstehung eines Kohlkropfs sehr unwahrscheinlich.

DZO: Empfehlen Sie Patienten spezielle Präparate oder reicht die Aufnahme über die Ernährung?

Ich bin kein Freund von teuren Nahrungsergänzungsmitteln, wenn man den gewünschten Effekt auch einfach über tägliche Mahlzeiten erreichen kann. Kreuzblütler finden sich in jedem Supermarkt, angefangen bei Brokkoli, Blumen-, Spitz-, Rot-, Weiß- und Grünkohl, über Radieschen, Rettich, Meerrettich, Kresse, Kapuzinerkresse, Rucola, bis hin zu Kohlrüben, Raps (-öl) und Senf.

DZO: Der Wirkstoff Sulforaphan ist ja sehr hitzeempfindlich. Gibt es Tipps, um die Bioverfügbarkeit zu verbessern? Was ist die beste Nahrungsquelle?

Einer wissenschaftlichen Studie zufolge sollen die Inhaltsstoffe von Brokkoli am besten erhalten bleiben, wenn kleine Röschen abgetrennt und diese fünf Minuten in Olivenöl angebraten werden. Ich weiß, Olivenöl wird nicht zum Braten empfohlen, aber bezüglich des Erhalts von Glucoraphan und Sulforaphan konnte sich natives, kaltgepresstes Olivenöl klar vor anderen Speiseölen durchsetzen.

Aber eigentlich sind Glucoraphan und Sulforaphan gar nicht so besonders hitzeempfindlich. Das haben wir gemerkt, als wir für die Patientenstudie ein Placebo herstellen wollten. Trotz zweistündiger Hocherhitzung blieben Glucoraphan und Sulforaphan nachweisbar. Es war immer noch Restaktivität vorhanden, weshalb wir uns für Methylcellulose als Placebo entschieden haben. Ein Beispiel für den langsamen Zerfall der Glucosinolate ist das Kochen von frisch zubereitetem Meerrettichgemüse. Am Anfang schmeckt das Gemüse noch furchtbar scharf, weil alle Glucosinolate noch erhalten sind. Kocht man weiter, wird der Geschmack langsam milder und das Meerrettichgemüse wird genießbar. Übrigens hat man herausgefunden, dass sehr wahrscheinlich nicht nur Sulforaphan, sondern auch dessen Abbauprodukte im Magen-Darm-Trakt positive Wirkungen zeigen könnten. Daher meine Empfehlung: ruhig schonend kochen, denn wer isst schon gerne rohen Kohl?

DZO: Was ist, wenn Patienten wegen Blähungen Kohlgemüse meiden sollten? Wie kann die Verträglichkeit verbessert werden?

Hier kann ich nur den Tipp geben: möglichst nicht roh essen, sondern gut dämpfen, anbraten oder eine Suppe daraus kochen. Wenn man den Kohl kochen möchte, sollte man möglichst das Kochwasser mitverarbeiten, denn darin laugen sich die gesunden Inhaltsstoffe aus.

DZO: Zum Schluss noch eine  persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?

Oje, gute Frage, die gleich ein schlechtes Gewissen erzeugt. Ich versuche natürlich, das ein oder andere umzusetzen. Wichtig ist mir eine entzündungshemmende, pflanzenbasierte Ernährung. Ich esse nicht überwiegend viel Brokkoli, habe aber täglich ein Kreuzblütlergemüse im Speiseplan. Und ich koche selbst mit frischen Küchenkräutern aus dem Garten. Zweimal wöchentlich gibt es fetten Meeresfisch, der reich an Omega-3-Fettsäuren ist. Salatsoßen werden mit linolensäurereichem Hanf- und Walnussöl zubereitet.

Dazu Bewegung und Zurückhaltung bei Alkohol. Ich trinke gerne ab und an ein Gläschen Gin, Bier und Wein, aber nicht exzessiv und ich trinke nicht täglich Alkohol. Ich vermeide Schadstoffe wie Zucker, Nikotin, aggressive Haushaltsreiniger und Aufputschmittel, d. h., Kaffee gibt es nicht mehr als eine Tasse täglich, wenn überhaupt. Als Supplemente nehme ich Nattokinase und in der kalten Jahreszeit auch Vitamin D3. Wichtig ist mir die Darmgesundheit, die ich mit Probiotika und Fermentprodukten unterstütze.

Ich habe auch gelernt „Nein“ zu sagen. Ich möchte trotz vieler Anfragen beruflich und privat nicht auf jeder Hochzeit tanzen und schaufele mir Freiraum für Familie, Haustiere und Garten.

Mein großes Problem ist das viele Sitzen bei der Arbeit. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass zu viel Sitzen mindestens genauso schädlich wie Zigarettenrauchen ist. Gegen das viele Sitzen kommt auch die eine Stunde Sportstudio am Abend nicht an. Am besten ist es, die Bewegung in den Alltag zu integrieren – deshalb trage ich eine Fitness-Watch mit Schrittzähler, der mich ständig an mehr Bewegung erinnert.

Sollte mich dennoch – relativ selten – ein grippaler Infekt erwischen, nehme ich kolloidales Silber und konnte damit bisher eigentlich immer eine Erkältung abfangen.

 
  • Literatur

  • 1 Lozanovski VJ, Polychronidis G, Gross W, Gharabaghi N, Mehrabi A, Hackert T, Schemmer P, Herr I. Broccoli sprout supplementation in patients with advanced pancreatic cancer is difficult despite positive effects - results from the POUDER pilot study. Invest New Drugs 2019. https://doi.org/10.1007/s10637-019-00826-z