Rofo 2019; 191(S 02): S124-S125
DOI: 10.1055/a-0943-1465
Extended Abstacts
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Pulmonale Erkrankungen des Früh- und Neugeborenen

Dirk Manfred Olbertz
Abteilung Neonatologie und Neonatologische Intensivmedizin, Klinikum Südstadt Rostock
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20 August 2019 (online)

Pulmonale Erkrankungen Frühgeborener sind geprägt von der Unreife der Lunge und der Atemwege. Die embryonale und fetale Entwicklung der kindlichen Lunge erfolgt in verschiedenen Phasen. Zwischen der 24. und 36. Schwangerschaftswoche befindet sich die Lunge in der sogenannten sakkulären Entwicklungsphase, in der auch allmählich die Bildung von Surfactant in den sogenannten Typ-II-Pneumozyten der Alveolen beginnt. Surfactant bewirkt in den Lungenbläschen eine Verminderung der Oberflächenspannung an der Luft-Wasser-Grenzschicht und verhindert so einen Kollaps der Lungenbläschen während der Exspiration. Die durch Unreife verminderte Bildung von Surfactant bewirkt bei Frühgeborenen die verminderte Stabilität der Lungenbläschen und ist damit der entscheidende Faktor in der Pathogenese des Atemnotsyndroms (ANS) des Frühgeborenen. Betroffene Frühgeborene fallen durch typische klinische Zeichen mit Tachypnoe, Dyspnoe und Einziehungen auf. Daneben imponiert ein während der Exspirationsphase typisches hörbares Stöhnen (Knorksen). Die Schweregradeinteilung des Atemnotsyndroms basiert auf den von Couchard et al. eingeführten radiologischen Stadien des ANS. Zur Prophylaxe des ANS wird mit hoher Evidenz aus über 30 Studien erfolgreich die pränatale Lungenreifeinduktion durch Gabe von Betamethason an die Risikoschwangere mit drohender Frühgeburt eingesetzt. Die Behandlung des Atemnotsyndroms erfolgt durch kontinuierlich positiven Atemwegsdruck mittels eines binasalen CPAP-Systems. Auf der Grundlage klinischer Studien von Fujiwara et al. aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts stehen seit ca. 30 Jahren Surfactant-Präparate, die aus Schweine- oder Rinderlungen gewonnen werden, als intratracheal anwendbare Medikamente zur Verfügung. Die klinische Anwendung dieser Surfactant-Präparate führte zu einer wesentlichen Verringerung der Mortalität und Morbidität, vor allem bei sehr unreifen Frühgeborenen und wurde so zu einem Meilenstein in der Verbesserung der Behandlungsergebnisse. Während die Ergebnisse zunächst über die intratracheale Anwendung und maschinelle Beatmung erreicht wurden, werden die Surfactant-Präparate heute zunehmend mit der LISA-Methode (Less Invasive Surfactant Application) unter CPAP angewendet. Die Vermeidung der maschinellen Beatmung leistete einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der chronischen Lungenerkrankung des Frühgeborenen (bronchopulmonale Dysplasie, BPD), die erstmals 1967 von Northway et al. beschrieben wurde. Die Erkrankung basiert auf beatmungsassoziierten Schäden an der unreifen Lunge, prä- und postnataler Inflammation sowie weiteren Faktoren, wie z. B. unzureichende Protein- und Kalorienzufuhr. Die aktuelle Definition erfordert weder eine typische Anamnese noch Veränderungen im Röntgenbild. Eine BPD liegt bei Frühgeborenen < 32 SSW vor, wenn sie für mehr als 28 Lebenstage eine Sauerstoffsupplementation mit einem FiO2 von mehr als 21 % für mehr als 12 Stunden pro Tag benötigen. Frühgeborene mit bronchopulmonaler Dysplasie werden im Alter von 36 postmenstruellen Wochen in 3 Schweregradgruppen unterteilt: Leichte BPD, milde BPD und schwere BPD (FiO2 > 0,3 bzw. maschinelle Beatmung). Von BPD betroffene Frühgeborene zeigen eine z. T. lebenslange beeinträchtigte Lungenfunktion, sind häufiger von pulmonalen Infektionen betroffen und leiden z. T. bis ins Erwachsenenalter hinein an überreagiblen Atemwegen und Asthma. Neben diesen pulmonalen Problemen ist die BPD auch mit einer schlechteren neurologischen Prognose und vermindertem körperlichem Wachstum assoziiert. Die Behandlung Frühgeborener mit BPD ist komplex und umfasst neben einer optimierten Ernährung die Gabe von Koffein, Diuretika, Steroidapplikationen und Inhalationstherapien.