Nervenheilkunde 2019; 38(11): 857
DOI: 10.1055/a-0952-6769
Gesellschaftsnachrichten
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.

Anja Bauer
Further Information

Publication History

Publication Date:
04 November 2019 (online)

Prof. Dr. Karl Einhäupl

Zoom Image
Prof. Karl Einhäupl beim Festsymposium zum 150-jährigen Bestehen der BGPN am 21. April 2017 (Quelle: Dr. Sabrina Thiel)

Am 1. September 2019 endete die Amtszeit von Karl Einhäupl als Vorstandsvorsitzendem der Charité Berlin. Dies haben wir zum Anlass genommen, den Neurologen und BGPN-Mitglied zum Interview zu treffen.

Herr Prof. Einhäupl, was machen Sie mit Ihrer neu gewonnen Freizeit – sofern es sie denn gibt?

Einhäupl: Im Moment habe ich noch das Gefühl, ich habe genau so viel zu tun wie vorher. Ich freue mich aber jetzt schon auf die Zeit für Dinge, die ich gerne mache, z. B. Kunstausstellungen. Ich werde mich mehr um Geschichte kümmern und werde mehr dazu kommen, Dinge wirklich historisch zu durchschauen.

Welche Erinnerungen oder Erlebnisse verbinden Sie mit der BGPN?

Einhäupl: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich in der BGPN nicht ein allzeit präsentes Mitglied gewesen bin, was einfach meiner Tätigkeit geschuldet war. Es ist diese wunderbare Mischung aus sehr biologisch orientierten Neurologen und Psychiatern, die eine sehr breite Abdeckung haben von biologischer Psychiatrie über Psychotherapie bis hin zur Sozialpsychiatrie.

Als Direktor und Ordinarius der Charité haben Sie die Neurologie zu internationaler Spitze geführt. Was hat Sie gereizt, im Anschluss einen Posten als Vorstandsvorsitzenden der Charité zu übernehmen?

Einhäupl: Ich weiß gar nicht, ob ich damals überhaupt von Reiz sprechen konnte – heute würde ich das so sehen. Nach dem abrupten – und meiner Meinung nach nicht gerechtfertigten – Ausscheiden von Detlev Ganten war es nicht so einfach, ad hoc einen Nachfolger zu finden. Am Ende hat mir dann der damalige Wissenschaftssenator die Pistole auf die Brust gesetzt und damit gedroht, dass ein Geschäftsbesorgungsauftrag an ein Beratungsunternehmen gehen würde. Das konnte und wollte ich damals unter keinen Umständen und habe mich dann nach Rücksprache mit einigen Kollegen bereit erklärt, den Posten anzutreten.

Würden Sie rückblickend sagen, dass das die richtige Entscheidung war?

Einhäupl: Auf jeden Fall! Es war eine deutliche Bereicherung meines Vorstellungsspektrums. Ich habe die Abläufe im Krankenhaus mal von der anderen Seite aus gesehen. Und die hat in diesen elf Jahren doch an Profil gewonnen und das lag natürlich nicht nur an mir. Aber die Charité ist wieder zu einer international beachteten Institution geworden. Von daher würde ich sagen, es war für beide Seiten eine gute Entscheidung.

Was war Ihre schwierigste Entscheidung als Vorstandsvorsitzender?

Einhäupl: Sicherlich die Restaurierung des Bettenhochhauses. Große Teile des Aufsichtsrates als auch alle anderen Mitglieder des Vorstandes waren damals der Meinung, man müsse das Hochhaus abreißen und dafür ein kleineres Krankenhaus auf dem Campus bauen. In dieser Frage habe ich zum ersten und zum einzigen Mal die Aussage getroffen ‚Wenn ihr das Hochhaus schleift, dann bin ich nicht sicher, ob ich noch dabei sein kann’. So etwas kann man nur einmal sagen. Heute ist das Hochhaus zum Glück noch da und ich finde, so wie es aussieht, auch eine Zierde für den Stadtteil Mitte.

Was hat mehr Spaß gemacht – an der Spitze der Neurologie oder an der Spitze der Charité zu stehen?

Einhäupl: Das kann man nicht vergleichen. Beides hat in hohem Maße Spaß gemacht! Und das hängt einerseits vom Erfolg ab, aber auch davon, welche Mitarbeiter man um sich hat. Und in beiden Einrichtungen waren es großartige Mitarbeiter.

Was war der größte medizinische Fortschritt der Neurologie in den letzten Jahrzehnten?

Einhäupl: Ich glaube, die Einführung der Bildgebung des Gehirns und des Rückenmarks. Seit der Computertomographie hat sich die Neurologie massiv verändert: von einem sehr kontemplativen Fach zu einem expliziten Therapiefach. In meiner Ausbildung war die Neurologie ein eher beschauliches Fach, in dem man viele Dinge wunderbar beschreiben, aber nichts dagegen tun konnte. Heute sind wir zum Beispiel in der Lage, die Multiple Sklerose mit mehr als neun verschiedenen Substanzklassen zu behandeln. Der Schlaganfall ist eine therapierbare Erkrankung. Dann gibt es natürlich auch die therapeutischen Methoden in der Neurochirurgie oder auch in der Infektionsbehandlung, um nur einige Beispiele zu nennen.