Diabetes aktuell 2020; 18(01): 12
DOI: 10.1055/a-0976-7186
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Diabetes mellitus und seine Komplikationen

Hannes Kalscheuer
1   Lübeck
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Publication Date:
18 March 2020 (online)

Nach den Daten der International Diabetes Foundation (IDF) waren im Jahr 2019 weltweit ca. 463 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, eine Zunahme von den geschätzt 415 Millionen Patienten im Jahr 2015. Auch in Deutschland steigen sowohl die Inzidenz als auch die Prävalenz von Menschen, die an Diabetes mellitus leiden, und Wissenschaftler vom Versorgungsatlas gehen basierend auf bundesweit ärztlichen Abrechnungsdaten von rund 500 000 Menschen mit Neudiagnose Typ-2-Diabetes jedes Jahr aus. Damit gehört Diabetes mellitus zu den häufigsten chronischen Volkskrankheiten, die einhergeht mit Multimorbidität, reduzierter Lebensqualität und verkürzter Lebenszeit.

Der Großteil der Betroffenen (> 90 %) ist an einem Typ-2-Diabetes erkrankt, der vor allem in höherem Lebensalter auftritt und mit Übergewicht und mangelnder Bewegung assoziiert ist. Durch die Implementierung des HbA1c-Werts für die Diagnostik sowie die Nutzung von Diabetes-Risiko-Scores scheint die Zahl der Dunkelziffer in Deutschland erfreulicherweise zu sinken. Bei Kindern und Jugendlichen hingegen ist der Typ-2-Diabetes (noch) selten, diese erkranken in Deutschland vorwiegend an Typ-1-Diabetes.

Internationale Studien zeigen, dass die Mortalitätsraten bei Menschen mit Diabetes wie auch in der Allgemeinbevölkerung in den letzten Jahrzehnten gesunken sind – teilweise sank die diabetesassoziierte Mortalität sogar stärker als die Mortalität in der Allgemeinbevölkerung.

Das Ziel einer modernen, individualisierten Diabetestherapie besteht darin, die Lebenszeit und Lebensqualität der Betroffenen zu normalisieren und das Auftreten sowohl von akuten Stoffwechselentgleisungen als auch der gefürchteten mikro- und makrovaskulären Komplikationen zu vermeiden. Mit den neuen verfügbaren Medikationsmöglichkeiten kommen wir diesem Ziel inzwischen erfreulicherweise deutlich näher, was die internationale Begeisterung bei Publikation von EMPA-REG, LEADER und Co. erklärt. Neue Medikamente führen jedoch auch zu neuen Nebenwirkungen, und Ärzte und Kliniken müssen sich an Diagnostik, Therapie und Behandlung von neuen Phänomenen wie z. B. der euglykämen Ketoazidose erst gewöhnen.

Bemerkenswert war im letzten Jahrzehnt zudem der enorme Sprung in der Diabetestechnologie. Vor wenigen Jahren konnten Betroffene und deren medizinische Betreuer von CGM, FGM und Hybrid-Closed-Loop-Insulinpumpen nur träumen. Heutzutage sind sie Standard einer modernen Therapie bei Typ-1-Diabetes, und die Entwicklung schreitet rasant voran. Studien zeigen, dass es durch die damit verbundene Automatisierung und Digitalisierung zu stabileren Stoffwechseleinstellungen kommen und das Auftreten akuter Entgleisungen reduziert werden kann. Dass auch harte Endpunkte wie kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität reduziert werden, bleibt zu hoffen, muss aber erst noch durch Studien bewiesen werden. Technologie ist aber immer nur so gut wie ihr Anwender – umfangreiche, lebenslange Schulungen durch Diabetesberater/-innen und Ärzte bleiben unumgänglich.

Dieses Schwerpunktheft gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihr Wissen rund um die akuten Komplikationen des Diabetes mellitus zu vertiefen und zu ergänzen. Das Themenspektrum reicht von Trends in Akutkomplikationen bei Kindern und Jugendlichen (Reschke und Kordonouri), über ein Update der Diagnose und Behandlung der diabetischen Ketoazidose (Meyhöfer et al.) sowie der SGLT-2-Hemmer-induzierten euglykämischen Ketoazidose (Kopf).