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DOI: 10.1055/a-0997-2391
Vom Einfluss der Eltern auf Schwangerschaft und Kind unter Berücksichtigung des Vaters
Publication History
Publication Date:
17 October 2019 (online)
Die Frage, wie der Vater die Dauer der Schwangerschaft und damit auch das Gewicht des Kindes beeinflusst, hat die Menschen seit der Antike beschäftigt. Schon Aristoteles glaubte beobachtet zu haben, dass bei Kreuzung von Pferd und Esel eine verlängerte Schwangerschaft festzustellen sei, wenn der männliche Part das Pferd ist. Zoologen haben die verlängerte Schwangerschaft später durch eine verlangsamte Entwicklung bei „Bastardbildung“ zu erklären versucht.
Im Jahr 1905 wurde auf dem XI. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie ein Vortrag gehalten, der sich mit dem männlichen Beitrag bei der Familienbildung beschäftigte. Das Thema ließ dem Gynäkologen Christian Friedrich Schatz (geb. 1841, gest. 1920) ([Abb. 1]) aus Rostock keine Ruhe, und er hat das, was er über den Einfluss des Vaters auf die Schwangerschaft wusste oder vermutete, auf dem Kongress vorgetragen. Dabei sind ganz absurde und auch beängstigende Sätze gesagt worden, die in der aufkommenden Zeit ein besonderes Gewicht und eine schreckliche Bedeutung erfahren sollten.
Schatz glaubte – im Gegensatz zu Aristoteles – eine Verkürzung der Schwangerschaft feststellen zu können, in den Fällen von Kreuzung zwischen Pferd und Esel, in denen das Pferd den männlichen Teil stellte. Beweisen konnte er seine These allerdings nicht. Da in Europa Maulesel nicht gezüchtet wurden, konnte Schatz nur sechs Fälle von Kreuzung zwischen Pferdehengst und Eselstute auftreiben, für eine statistisch gesicherte Aussage zu wenig. Er brauchte größere Fallzahlen, um einen Einfluss des Vaters auf die Dauer der Schwangerschaft nachweisen zu können. Das Modell Pferd – Esel war zu unsicher. Daher wandte sich Schatz in seinem Vortrag an junge Herren Kollegen: „Hier müssen die jungen Gynäkologen aushelfen. Es wird ihnen unschwer gelingen, ihre Ehefrauen für solche Untersuchungen zu interessieren (...). Die aufgewendete Mühe wird sich reichlich belohnen, weil sich die Beeinflussung des weiblichen Organismus seitens des männlichen durch den gemeinschaftlichen Fötus nicht auf die Dauer der Schwangerschaft beschränkt, sondern sich noch wesentlich weiter erstreckt“.
Nun folgen Sätze von Christian Friedrich Schatz, die absonderlich klingen: „Das Ähnlicherwerden des Ehegatten wird nicht nur durch Nachahmung und gleiche Lebensführung, sondern auch durch die Wirkung des Fötus auf die Mutter bewirkt (...). Ein Mann kann seine Frau nicht nur nach den Staatsgesetzen adeln, sondern auch nach den Naturgesetzen, also wirklich, nicht aber umgekehrt eine Frau ihren Mann.“
Zum Ende wird der Vortrag nicht nur sonderbar, sondern auch bedenklich: „Die Tierzüchter kennen und benutzen diese Naturgesetze schon lange. Sie veredeln durch einen edlen Hengst ein ganzes Gestüt und wissen, dass eine edle Stute, wenn sie von einem gemeinen Hengst belegt wird, dadurch so verdorben wird, dass sie niemals mehr ein edles Fohlen werfen kann. Es gilt diese mannigfaltigen Beeinflussungen des weiblichen Organismus durch den männlichen, vermittelst des Föten, auch für den Menschen nachzuweisen und die Wege kennen zu lernen, auf welchen diese zustande kommen“.
Dieser Vortrag war ein Hauptreferat, nicht von einem einfachen Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie vorgetragen, sondern von dem Vorstands- und Gründungsmitglied der Gesellschaft – Christian Friedrich Schatz. Mit Winkel (München), Olshausen (Halle), Küstner (Jena) und Frommel (München) bildete Schatz 1886 den ersten Vorstand der Gesellschaft. Schatz war 1872 auf das Ordinariat in Rostock berufen worden.
In seinem Vortrag klingt vage an, was 30 Jahre später in einer ideologischen Verirrung und Katastrophe endete: Hervorragende Männer sollten hochwertige Kinder zeugen.