Nervenheilkunde 2019; 38(10): 778
DOI: 10.1055/a-0998-9362
Gesellschaftsnachrichten
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Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.

Tom Bschor
,
Anja Bauer
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Publication Date:
15 October 2019 (online)

Neues Vorstandsmitglied Priv.-Doz. Dr. med. Harald Prüß im Interview

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PD Dr. Harald Prüß (Quelle: privat)

Im Rahmen der Mitgliederversammlung der BGPN im März 2019 wurde PD Dr. med. Harald Prüß ohne Gegenstimmen in den Vorstand gewählt. Er studierte Medizin in Berlin, Bern, Edinburgh und Pittsburgh, schloss seine Doktorarbeit 2004 an der Humboldt-Universität zu Berlin ab und habilitierte sich 2011 an der Charité. Der Neurologe ist Oberarzt an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité Berlin und Gruppenleiter im Deutschen Zentrum für Neuroendokrine Erkrankungen e. V. (DZNE). Wir wollen Harald Prüß vorstellen und haben ihn zum Interview getroffen.

Was war Ihre Motivation für die Kandidatur als BGPN-Vorstandsmitglied?

Prüß: Unter anderem fand ich die Vernetzung von Psychiatrie und Neurologie, wie man sie bei der BGPN findet, schon immer interessant. Als ich angesprochen wurde, ob ich nicht mitmachen wolle, habe ich mich sehr gefreut. Es ist schließlich ein sehr nettes Team von Vorstandsleuten, mit denen ich teilweise auch schon vorher zu tun hatte, und dort jetzt vielleicht die neurologisch-akademische Perspektive zu verstärken, erschien mir verlockend. Die BGPN lebt von dem Ziel, Neurologie und Psychiatrie einerseits, aber auch Praxis und Akademie andererseits zu verbinden.

Was sind Ihre Hoffnungen für die Zukunft der BGPN?

Prüß: Mich würde es freuen, wenn die BGPN mit ihren Veranstaltungen für Berlin und Brandenburg mehr zu einem Forum wird, in dem neue Entwicklungen aus der Wissenschaft und der klinischen Routine besprochen werden, wodurch man die Kollegen aus der Region besser kennen lernt und wo auch Dinge kontrovers diskutiert werten. Schön wäre es, wenn sich Berliner Neurologen, Psychiater und andere Disziplinen austauschen und die BGPN über Berlin/Brandenburg hinaus weiter an Bekanntheit gewinnt.

Was sind Ihre Erinnerungen, die Sie mit der BGPN verbinden?

Prüß: Ich wurde 2012 als Vortragender eingeladen und es hat mich gefreut, dass es damals schon so ein weites Spektrum von Teilnehmern war. Das hat sofort eine sehr positive Grundstimmung geschaffen und ich habe seitdem verinnerlicht, dass die BGPN ein wichtiger Ort des Austauschs sein kann. Heute, besonders in Berlin mit seiner Flut an teils parallelen Fortbildungsoptionen und Vorträgen, braucht es genau so ein verbindendes Element einer klinisch-wissenschaftlichen Kernveranstaltung.

Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?

Prüß: Zurzeit beschäftigt sich meine Arbeitsgruppe mit antikörpervermittelten Erkrankungen des Gehirns, was ein extrem breites Feld ist. Der Kern sind die Enzephalitiden, aber es ist klar geworden, dass z. B. auch Demenz-Formen dabei sind, bei denen Antikörper die führende Rolle spielen, ebenso bei isolierten Psychosen, epileptischen Anfällen, Bewegungsstörungen und viele mehr. All diesen Erkrankungen ist gemein, dass man diese Antikörper identifizieren und die Patienten spezifisch behandeln kann. Mein Forschungsschwerpunkt reicht dabei von der Erweiterung der Diagnostik bis hin zu individualisierter Therapie. Meine Doppelaffiliation in der Neurologie der Charité und am DZNE Berlin erlaubt eine ideale Brückenfunktion zwischen Klinik und Forschungslabor. Wir können beispielsweise von den Liquorzellen die monoklonalen Antikörper herstellen, die Krankheiten verstehen, Therapien entwickeln und diese dann wieder direkt ans Krankenbett zurückführen. Es ist genau das, was mir Spaß macht und zum Glück ist der Hype um diese antikörpervermittelten Erkrankungen noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil: Eine Dissertation zu dem Thema hat sogar den diesjährigen BGPN-Promotionspreis gewonnen.

Was ist für Sie der größte Gewinn für die Neurologie der heutigen Zeit?

Prüß: Dass wir inzwischen solche fulminanten technischen Möglichkeiten haben, um komplizierte Dinge zu Aufbau und Funktion des Gehirns zu entschlüsseln. Da war man bei der Erforschung anderer Organe schon früher viel weiter, weil man gut an das Gewebe gekommen ist. Nun wird es auch im Gehirn möglich. Vom molekularen Imaging bis zu single neuron genomics existieren inzwischen Methoden, die es zu meiner Studienzeit noch nicht gab. Aber man sollte nicht vergessen, dass die Neurologie kein reines Forschungsfach ist, sondern es hauptsächlich um Patienten geht. Kontakt mit Menschen, die in ihrem Wesen verändert sein können, was besondere Anforderungen an die Ärzte stellt. Ich bin davon überzeugt, dass Forschung und Klinik in der Neurologie immer Hand in Hand gehen müssen.

Das Interview führte Dr. Anja Bauer, Berlin