Dialyse aktuell 2020; 24(02): 49
DOI: 10.1055/a-1022-7857
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Dosis entscheidet über Wohl und Wehe

Christian Schäfer
1   Stuttgart
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Publication Date:
13 March 2020 (online)

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Eine alternative Darstellung des in der Überschrift benannten Sachverhalts ist: „Nur die Dosis macht das Gift“. In diesem Falle soll es aber nicht um Wirkstoffe gehen, welche oft mit diesen Aussagen assoziiert werden. Sondern es geht um die „Dosis an Pflegekräften“ bzw. noch genauer um das zahlenmäßige Verhältnis der unterschiedlichen Qualifikationen, die sich in der nephrologischen Pflege finden.

So war es in der (inzwischen schon etwas entfernteren) Vergangenheit üblich, dass zu einem substanziellen Anteil examinierte Pflegekräfte bzw. nephrologische Fachpflegekräfte die Patienten in deutschen Dialysezentren betreuten. Aufgrund diverser Mechanismen, welche die in den letzten Jahren zunehmende Unattraktivität des Pflegeberufes (aufgrund von relativ niedriger Bezahlung und schlechter werdenden Arbeitsbedingungen), die ansteigende Patientenzahlen und die zunehmende Verrentung sowie Arbeitsunfähigkeit von langjährig in der Dialyse erfahrenen Pflegekräften einschließen, hat sich allerdings bekanntermaßen nun ein ausgewachsener Fachkräftemangel in der Branche manifestiert. Inzwischen sind Medizinische Fachangestellte (MFA), Pflegekräfte ohne breites nephrologisches Basiswissen und Pflegehilfskräfte so weit in den Dialysezentren verbreitet, dass Fachkräfte mit einem üppigen Erfahrungsschatz und einer großen Expertise zunehmend in der Minderheit anzutreffen sind. Neben dem Mangel an entsprechend qualifizierten Pflegekräften hat die Absenkung der Dialyse-Sachkosten-Pauschalen dazu beigetragen, den Trend hin zu unerfahrenem und günstigerem Personal in den Dialysezentren zu verstärken – einfach um Geld zu sparen.

Die reduzierte „Dosis“ an Fachpflegekräften ist allerdings nicht ohne Konsequenz – genau wie ein Medikament, das in zu geringer Konzentration gegeben wird, nicht seine ihm bestimmte Funktion voll oder überhaupt im Körper ausüben kann. So haben schon Dr. Linda H. Aiken, Philadelphia (USA), et al. in ihrer 2017 im “British Medical Journal Quality & Safety” veröffentlichten Studie “Nursing skill mix in European hospitals: cross-sectional study of the association with mortality, patient ratings, and quality of care” folgende Zusammenhänge entdeckt: Die Mortalität, die Patientenbewertung und die Pflegequalität waren in einer Selektion europäischer Krankenhäuser besser, wenn mehr Pflegekräfte mit einer höheren Qualifikation beschäftigt waren. Die Autoren warnen daher davor, den sog. „Skill-Mix“ in der Pflege so stark zu verändern oder zu belassen, dass entsprechend viele Pflege(hilfs)kräfte ohne genügend Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet die Patienten betreuen. Denn wenn das Gleichgewicht zu sehr in diese Richtung kippt, kommen ganz konkret mehr vermeidbare Todesfälle vor.

In dieser Ausgabe der „Dialyse aktuell“ finden Sie ebenfalls Artikel, die sich u. a. mit den wichtigen Themen Fachkräftemangel und Skill-Mix in der Pflege beschäftigen: Ab Seite 52 ist der Beitrag des fnb e. V. zu einem entsprechenden berufspolitischen Thema platziert. Und auf Seite 88 beginnt der erste von 2 Teilen der Artikelserie zum „Skill- und Grade-Mix in der Pflege“. Natürlich sind in der vorliegenden Ausgabe noch weitere informative Beiträge zu finden: die Schwerpunktartikel zum Thema „Wahl des Nierenersatzverfahrens“, Beiträge in der Rubrik „Magazin“, die Shuntecke 121, ein Artikel zu Kalzimimetika und Nachrichten aus der Industrie. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre!