Psychiatr Prax 2019; 46(08): 430-431
DOI: 10.1055/a-1027-1738
Debatte: Pro & Kontra
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aktive Lebensbeendigung bei einer Patientin mit Alzheimer-Demenz in der Niederlanden: eine ethische Debatte – Kontra

Actively Ending Life in a Patient with Alzheimer’s Dementia in the Netherlands: an Ethical Debate – Contra
Tilman Steinert
Zentrum für Psychiatrie, Die Weissenau
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Publication Date:
04 November 2019 (online)

Zunächst sollten einige begriffliche Zuordnungen geklärt werden, über die manchmal Unklarheit herrscht. Dies führt manchmal dazu, dass Diskussionen das Thema nicht richtig treffen. Zumindest im Sinne des deutschen Rechts handelt es sich hier nicht um aktive oder passive Sterbehilfe, weil die Patientin sich nicht in einem Sterbeprozess befand. Es handelt sich auch nicht um Beihilfe zum Suizid, weil die Patientin keine Suizidhandlung unternommen hat, sondern getötet wurde. Es handelt sich auch keinesfalls um Mord, weil Mord an spezifische Mordmerkmale wie zum Beispiel „niedrige Beweggründe“ geknüpft ist (dies ist allerdings eine Besonderheit des deutschen Strafrechts, die auch unter Juristen immer wieder kritisch diskutiert wird). Es handelt sich am ehesten um eine Tötung auf Verlangen, wobei dieses Verlangen aber zum Zeitpunkt der Tötung nicht vorlag, sondern zu einem früheren Zeitpunkt (auch schriftlich) artikuliert worden war. Demnach handelt es sich also um eine Tötung nach vorausverfügtem Verlangen zu einem späteren Zeitpunkt, zu dem eine freie Willensbildung nicht mehr möglich war. Der Begriff „Euthanasie“ („guter Tod“), der in den Niederlanden und auch im internationalen Schrifttum verwendet wird [1], verbietet sich in Deutschland wegen der historischen Belastung der missbräuchlichen euphemistischen Verwendung im Zusammenhang mit den Krankenmorden des NS-Regimes.