Kinder- und Jugendmedizin 2020; 20(02): 67-69
DOI: 10.1055/a-1066-5103
Editorial
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Kinder- und Jugendmedizin

Volker Schuster
1   Leipzig
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Publication Date:
17 April 2020 (online)

Impfen

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Prof. Dr. med. Volker Schuster, Leipzig

Impfungen gehören weltweit zu den wichtigsten, wirksamsten und kostengünstigsten Präventionsmaßnahmen gegen Infektionskrankheiten. Moderne Impfstoffe sind meist sehr gut wirksam und gut verträglich. Gravierende Nebenwirkungen durch Impfungen sind insgesamt selten. Es gibt kaum „echte“ Kontraindikationen.

Der Artikel von Markus Rose zeigt, dass Kinder bei der Influenza die höchsten Infektions- und Komplikationsraten aufweisen. Ihre erhöhte Anfälligkeit (und verlängerte Virusausscheidung) unterhält Grippeepidemien, sodass die Grippe-Schutzimpfung von Kindern zusätzlich durch Transmissionsprophylaxe andere Risikogruppen schützt. Aus diesem Grund empfiehlt die Sächsische Impfkommission sinnvollerweise eine Standardimpfung bereits ab dem 6. Lebensmonat.

Wie der Artikel von Volker Schuster zeigt, kommt es (auch) in Deutschland aufgrund der weiterhin unzureichenden MMR-Durchimpfungsraten und der damit verbundenen niedrigen Herdenimmunität zu regelmäßigen Masernausbrüchen mit Todesfällen und schwerwiegenden Komplikationen (Enzephalitis, SSPE). Die 2-malige MMR-Impfung wird allgemein gut vertragen und schützt zu über 98,3 % sicher vor den Komplikationen einer Wildmaserninfektion und deren Folgen. In den letzten Jahren ist es gelungen, genetische Prädispositionsfaktoren für (extrem seltene) schwere Komplikationen (Enzephalitis, Todesfälle) durch die Masernimpfung zu identifizieren. In allen Fällen sind dies Störungen im Interferon-Signalweg. Seit März 2020 gibt es in Deutschland eine MMR-Impfpflicht. Es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahme tatsächlich „alle Probleme“ löst. Ziel ist es letztlich, die Durchimpfungsrate auf > 95 % anzuheben, sodass eine ausreichende Herdenimmunität entsteht.

Im Beitrag von Johannes Liese geht es um Pertussis. Diese Infektionserkrankung betrifft alle Altersgruppen, insbesondere Jugendliche und Erwachsene. Neben der allgemein hohen Krankheitslast besteht hier ein fortgesetztes Infektionsrisiko in der Übertragung von B. pertussis auf noch ungeimpfte Neugeborene und Säuglinge, die die höchsten Komplikationsraten aufweisen. Um auch junge Säuglinge besser vor Keuchhusten zu schützen, wird mittlerweile empfohlen, auch Schwangere im dritten Trimenon gegen Pertussis aufzufrischen.

Die Häufigkeit von invasiven Meningokokken- und Pneumokokken-Infektionen hat sich durch Einführung von entsprechenden Konjugatimpfstoffen deutlich reduziert. Die beiden neuen MenB-Konjugatimpfstoffe sind sehr vielversprechend und können als Indikationsimpfung eingesetzt werden. Darüber diskutieren Alexa Kunze und Markus Knuf in ihrem Artikel. Die Empfehlung durch die STIKO steht noch aus. Die verfügbaren Pneumokokken-Konjugat-Impfstoffe sind bei Kindern und Erwachsenen sehr wirksam, allerdings treten sekundär gehäuft invasive Pneumokokken-Infektionen durch Serotypen auf, die nicht im Impfstoff enthalten sind (sog. Replacement).

Prinzipiell können Totimpfstoffe bei allen Formen der Immunsuppression (erworben oder angeborener Immundefekt) gefahrlos gegeben werden. Allerdings kann in diesen Fällen der Impferfolg eingeschränkt sein. Bei schwerer Immunsuppression oder schwerem angeborenem Immundefekt sind dagegen Lebendimpfungen immer kontraindiziert. Die Besonderheiten von Impfungen bei verschiedenen Formen der Immunsuppression und Autoimmunität werden im Artikel von Stephan Ehl und Norbert Wagner beleuchtet.

Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre Erkenntnisgewinn und hoffen, dass wir bei Ihnen das weitere Interesse für die Impfmedizin geweckt haben.