Pneumologie 2020; 74(01): 57-58
DOI: 10.1055/a-1078-9947
Mitteilungen des DZK
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Mitteilungsseiten des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK)

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Publication Date:
20 January 2020 (online)

Bericht der Welttuberkulose-Konferenz in Hyderabad, Indien

Indien ist mit 1,385 Milliarden Bewohnern eines der bevölkerungsreichsten Länder der Erde. Es ist aber auch das Land mit der höchsten Tuberkuloseprävalenz der Welt. Im letzten Jahr erkrankten dort 2,690 Millionen Menschen an Tuberkulose, knapp eine halbe Million verstarb daran [1]. Somit lebt jeder Vierte der weltweit geschätzt 10 Millionen Tuberkulosepatienten in Indien. Im Vergleich dazu erkrankten 2018 in Deutschland 5429 Menschen an Tuberkulose und 129 Patienten verstarben daran [2]. Durch den indischen Premierminister wurde die Tuberkulosebekämpfung im letzten Jahr als dringliches nationales Ziel benannt. Ein lebendiges Bild von der Tuberkuloseversorgung in Indien vermitteln auch die Reportagen unserer diesjährigen DZK-Tuberkulosepreisträger, die Sie auf unserer Webseite finden (https://www.dzk-tuberkulose.de/autorenteam-mit-dem-1-dzk-tuberkulosepreis-ausgezeichnet/).

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Hinweisschild im Krankenhausgelände.

Auch die Weltkonferenz zu Tuberkulose der Internationalen Union gegen Tuberkulose und Lungenerkrankungen (IUATLD) fand in diesem Jahr in Indien statt. Eine kleine Auswahl der Themen und spannenden Neuentwicklungen aus dem Gebiet der Tuberkulose möchten wir Ihnen hier nun vorstellen.

Der Tuberkulose-Impfstoff M72/AS01E hat erfolgreich die Phase-2b-Studie durchlaufen. Getestet wurde dieser an Erwachsenen mit einer latenten Tuberkulose. In der 3-jährigen Beobachtungszeit zeigte sich ein 50 %iger Schutz vor der Entwicklung einer Erkrankung [3]. Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes ist einer der Kernpunkte in der von der WHO entwickelten End-TB-Strategie.

Seit einigen Jahren wird an einem Urintest geforscht, der Zellwandbestandteile der Mykobakterien (Lipoarabinomannan/LAM) nachweist. Dieser LAM-Test wurde mit einem neuartigen Verfahren weiterentwickelt und erreicht nun eine Sensitivität von bis zu 70 % bei HIV-positiven Patienten im Vergleich zu dem alten Testverfahren mit 42 % [4]. Die Entwicklung eines einfachen, Sputum-unabhängigen Tests für Tuberkulose ist insbesondere für HIV-positive Patienten dringend gefordert.

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Digitale Medikamentenbox für die ambulante MDR-TB-Therapie.

Neben Sputum wurden auch Rachen- und Zungenabstriche als mikrobiologisches Untersuchungsmaterial zum Nachweis von Mykobakterien vorgestellt. Auch die Ausatemluft konnte durch spezielle Filtermasken untersucht werden. Dabei konnte kein eindeutiger Zusammenhang zwischen einer Hustensymptomatik und der Menge von Tuberkulosebakterien in der Ausatemluft hergestellt werden [5] [6].

Für die Resistenztestung gilt die kulturelle Untersuchung als Goldstandard. In einer niederländischen Studie zeigte nun die Gesamtgenomsequenzierung (WGS) einen negativ prädiktiven Wert von nahezu 100 % für die Medikamente der Standardtherapie. In den Niederlanden wird aufgrund der Ergebnisse ab dem nächsten Jahr die WGS als Standardresistenztest eingesetzt. Bei einem negativen Ergebnis gilt der Stamm als sensibel. Sollten Mutationen gesehen werden, wird eine phänotypische Resistenztestung ergänzt. So sollen ca. 90 % der phänotypischen Resistenztestungen eingespart werden, um bei den verbleibenden 10 % eine detaillierte Bestimmung der MHK vornehmen zu können [7].

Insbesondere die Therapie der resistenten Tuberkulose birgt viele Herausforderungen. Seit Einführung der neuen Medikamente und der Verwendung sog. „repurposed drugs“ ist die Chance auf eine Heilung bei einer MDR- oder XDR-Tuberkulose gestiegen [8]. Allerdings werden Resistenzen gegen Bedaquilin beobachtet, die auch bei Patienten ohne vorangegangene Therapie auftreten [9].

Derzeit gibt es keinen Test, der vorhersagen kann, wer nach einer Ansteckung mit TB auch erkranken wird. Der QuantiFERON-Test ist dafür nicht geeignet, der positiv prädiktive Wert liegt nur bei ca. 5 %. Untersucht werden nun sog. Transkriptome, also RNA-kodierte Gene im Blut. In einer Kohorte von 333 Tuberkulosekontaktpersonen aus England wurde eine solche Signatur aus 3 Genen untersucht. Dabei zeigte sich ein positiv prädiktiver Wert von 50 % und ein negativ prädiktiver Wert von 99 % in einem Beobachtungszeitraum von einem Jahr [10].

In Vietnam wurde untersucht, ob ein jährliches Screening einer Population Einfluss auf die Tuberkuloseprävalenz hat. Dafür wurden über 42 000 Erwachsene symptomunabhängig jedes Jahr mit einer molekularbiologischen Sputum-Untersuchung untersucht. Nach 4 Jahren lag die Prävalenz für Sputum-positive Tuberkulose in der untersuchten Gruppe niedriger als in der Kontrollgruppe [11].

Deutlich verbreiterter ist das Röntgen-Screening, bei dem nur Patienten mit einem auffälligen Befund weiter untersucht werden. Zunehmend unterstützen Softwaresysteme (sog. CAD-Systeme) die Beurteilung der Röntgenbilder und geben die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Tuberkulose an [12]. Größere Anwendungen in Screening-Programmen werden derzeit in verschiedenen Ländern getestet.

Als Begleitprogramm zur Konferenz konnte eines der staatlichen Tuberkulosekrankenhäuser in Hyderabad besucht werden. Es war sehr beeindruckend, wie herzlich und kompetent die Mitarbeiter/innen die vielen Patienten versorgten!

Weitere Informationen zu verschiedenen Aspekten der Tuberkulose finden Sie auf unserer Webseite. Wir möchten uns für Ihr Interesse bedanken und wünschen Ihnen alles Gute für 2020.

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  • Literatur

  • 1 Global tuberculosis report 2019. Geneva: World Health Organization; 2019 Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO
  • 2 Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2018. Berlin: Robert Koch-Institut; 2019
  • 3 Tait DR. et al. Final Analysis of a Trial of M72/AS01(E) Vaccine to Prevent Tuberculosis. N Engl J Med 2019; DOI: 10.1056/NEJMoa1909953.
  • 4 Broger T. et al. Novel lipoarabinomannan point-of-care tuberculosis test for people with HIV: a diagnostic accuracy study. Lancet Infect Dis 2019; 19: 57-58
  • 5 Patterson B, Wood R. Is cough really necessary for TB transmission?. Tuberculosis (Edinb) 2019; 117: 31-35
  • 6 Williams CM. et al. Face mask sampling for the detection of Mycobacterium tuberculosis in expelled aerosols. PLoS One 2014; 9: e104921
  • 7 Jajou R. et al. WGS more accurately predicts susceptibility of Mycobacterium tuberculosis to first-line drugs than phenotypic testing. J Antimicrob Chemother 2019; 74: 2605-2616
  • 8 Ndjeka N. et al. High treatment success rate for multidrug-resistant and extensively drug-resistant tuberculosis using a bedaquiline-containing treatment regimen. Eur Respir J 2018; 52: pii: 1801528
  • 9 Ismail NA. et al. Defining Bedaquiline Susceptibility, Resistance, Cross-Resistance and Associated Genetic Determinants: A Retrospective Cohort Study. EBioMedicine 2018; 28: 136-142
  • 10 Roe J. et al. Blood transcriptomic stratification of short-term risk in contacts of tuberculosis. Clin Infect Dis 2019; DOI: 10.1093/cid/ciz252.
  • 11 Marks GB. et al. Community-wide Screening for Tuberculosis in a High-Prevalence Setting. N Engl J Med 2019; 381: 1347-1357
  • 12 Qin ZZ. et al. Using artificial intelligence to read chest radiographs for tuberculosis detection: A multi-site evaluation of the diagnostic accuracy of three deep learning systems. Sci Rep 2019; 9 DOI: 10.1038/s41598-019-51503-3.