Notaufnahme up2date 2020; 2(02): 94-95
DOI: 10.1055/a-1091-3178
Editorial

Soziale Medien in der Notfallmedizin

Michael Bernhard
,
Frank Eifinger
,
Ingo Gräff
,
Thomas Henke
,
Christian Künstler
,
Bernhard Kumle
,
Dominik Michalski
,
Benjamin Ondruschka
,
Martin Pin
,
Sylvia Schacher

Jeden Tag werden wir in der Notfallmedizin mit unvorhergesehenen Situationen konfrontiert. Daher benötigen wir in der Notfallmedizin Tätigen, ob nun im Rettungs- und Notarztdienst oder in der Zentralen Notaufnahme, rasch und effektiv Informationen zu Krankheitsbildern und „Tipps-und-Tricks“ zum richtigen Vorgehen bei Diagnostik und Therapie.

Zur Wissensgenerierung existieren verschiedene – teils tradierte, teils moderne – Methoden wie beispielsweise der Frontalunterricht, die tägliche Praxis und Tätigkeit in einem notfallmedizinischen Bereich sowie Selbststudium anhand von Büchern und Fachliteratur. Die Notaufnahme up2date bietet mit ihren begutachteten CME-Beiträgen hierbei eine sehr gute Möglichkeit aktuelles Wissen zu erwerben bzw. zu erweitern und fokussiert dabei speziell auf Themen, die im Zentrum der Patientenversorgung in der Zentralen Notaufnahme stehen und das gesamte Bandbreite des Fachs abdecken.

Daneben gibt es immer mehr kostenlose Angebote in den Sozialen Medien ([Tab. 1]), die besonders von jungen Nutzern und Nutzerinnen gerne besucht werden [1]. Heutzutage besteht über FACEBOOK, TWITTER und diverse Blogs die Möglichkeit rasch und in unglaublicher Geschwindigkeit ungefiltert medizinische Informationen zu konsumieren. Dabei gilt es aber die Unterschiede zu herkömmlich vermittelten Wissensinhalten bei der Interpretation der Darstellungen zu berücksichtigen [2] [3]:

Tab. 1

Auswahl von Blogs mit deutschsprachigen notfallmedizinischen Themeninhalt

Online Angebot

Website-URL

NERDfallmedizin

www.nerdfallmedizin.de

DasFOAM

www.dasfoam.org

TOX Docs

www.toxdocs.net

NewsPapers.eu

www.news-papers.eu

Rettungsaffen

www.dieRettungsaffen.com

FOAMINA

www.foamina.blog

#FOAM Rettungsdienst

www.foam-rd.health.blog

Pin-Up-Docs

www.pin-up-docs.de

NOWtoGo

www.nowtogo.de

  1. Kein Peer-review: Posts, Kommentare und Blogbeiträge werden üblicherweise von einem Meinungsbildner produziert, ohne dabei von einer Expertengruppe gegengelesen und ggf. korrigiert zu werden. Hierdurch kann zwar die online-Publikationsgeschwindigkeit maximal beschleunigt werden (im Gegensatz zu herkömmlichen Publikationen, die häufig 6 Monate und länger im Publikationsverfahren verbringen), es besteht aber ein Risiko, dass nicht vollständig korrekte oder einseitige Darstellungen publiziert werden. Dadurch sind diese Beiträge singulär von der Ansicht des Meinungsbildners geprägt und nicht wissenschaftlich von Experten in einem Review-Verfahren hinterfragt worden. Prüfen Sie als Leser daher immer kritisch die jeweiligen Aussagen in sozialen Medien auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit.

  2. Themenselektion: In den Foren und Posts werden insbesondere „gut gängige“ Themen (z. B. Atemwegsmanagement, Reanimationsstudien) diskutiert und nicht die gesamte Bandbreite der (Notfall-)Medizin dargestellt. Schließlich geht es u. a. auch darum „likes“ oder „clicks“ zu bekommen, d. h. eine sichtbare Annahme und damit „Visibility“ des Erstellenden in der „Social Media Community“ zu erreichen. Dabei kann es zu einer Schieflage des wissenschaftlichen Fokus kommen und ebenfalls wichtige, aber eben weniger „hippe“ Themen können untergehen. Sich selbst diesen Umstand bewusst zu machen, kann helfen, die Limitierungen von sozialen Medien zu verstehen.

  3. Kritikkultur: Wissenschaftlicher Fortschritt lebt von der gemeinsamen und offenen Diskussion. Dieser wissenschaftliche Diskurs wird regelhaft in Form von Leserbriefen bzw. Gegendarstellungen ausgetragen, ebenfalls mit einem gewissen zeitlichen Verzug bezüglich der jeweiligen Publikationszeitpunkten („wissenschaftliches Publizieren ist eher ein Marathon und kein Sprint“). Demgegenüber steht der gelegentlich unreflektierte, teils aggressive und auf Hypothesen und Meinungen, denn auf wissenschaftlich bewiesenen Argumenten bestehende elektronische Schlagabtausch in sozialen Medien. Gute Hypothesen werden dabei gelegentlich als Fakten dargestellt, gewertet und wenig hinterfragt. Auch diese Limitation muss im Umgang mit den modernen sozialen Medien bedacht werden.

Aber welchen Vorteil haben wir nun durch die Nutzung moderner sozialer Medien?

  1. Publikationsgeschwindigkeit: Es gibt kein Medium, mit dem man so rasch wie mit Posts, Podcast und Blogbeiträgen in den Sozialen Medien auf neue Publikationen hinweisen kann. Diese Geschwindigkeit spricht ganz klar für eine entsprechende Nutzung um „Up to date“ zu sein. Es sollte aber „State-of-the-Art“ sein und werden, nicht nur „über“ eine Studie zu lesen, sondern diese Studie auch „selbst“ zu lesen.

  2. Basisweiterbildung: Fortbildung muss heute „smart“ sein, d. h. kurze Fortbildung mit hohem Komfort und rascher barrierefreier Nutzung. Hierfür bieten sich Posts, Podcast und Blogbeiträge in den Sozialen Medien einfach an. Wichtig ist dabei, den Fokus auf sehr hohe Qualität als auf hohe Quantität zu legen, denn etwas falsch Erlerntes zu revidieren ist ungleich schwieriger als etwas korrekt Gelerntes zu vertiefen.

  3. Virtuelle Nähe: Die Zurverfügungstellung von Wissensinhalten über moderne Lern-Plattformen ermöglicht den Zugriff zu jedem Zeitpunkt, von jedem Ort der Welt – und ist damit unabhängig vom eigenen Dienstplan und der aktuellen betrieblichen Inanspruchnahme der Mitarbeiter.

Wie so häufig im Leben ist die beste Lösung sicherlich ein guter Kompromiss zwischen schnell verfügbaren und barrierefreien Informationen über soziale Medien neben einem guten Grundlagenwissen durch entsprechende CME-Beiträge und der Einsichtnahme von Studien im Volltext.

Vor diesem Hintergrund wünschen wir Ihnen bei der Lektüre der aktuellen Ausgabe von Notaufnahme up2date viel Spaß, Wissenszuwachs und Erkenntnisse zur Umsetzung in Ihrer täglichen Praxis.

Ihre
Michael Bernhard, Frank Eifinger, Ingo Gräff, Thomas Henke, Christian Künstler, Bernhard Kumle, Dominik Michalski, Benjamin Ondruschka, Martin Pin, Sylvia Schacher



Publication History

Article published online:
24 April 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

 
  • Literatur

  • 1 Fandler M, Gotthardt P, Becker TK. Moderne medizinische Fortbildungen für Notfallmediziner. Überblick über aktuelle Formate und Konzepte. Notfall Rettungsmed 2018; 21: 505-512
  • 2 Long ND. The good, the bad and the ugly of social media: How to navigate through the noise. Emergency Med Austral 2018; 30: 412-413
  • 3 Zoidl P, Sacherer F, Heschl S. et al. Free Open Access Meducation (FOAM) – Wissenstransfer 2.0?. Intensiv Notfallbehandlung 2018; 43: 48-51