Diabetes aktuell 2020; 18(02): 43
DOI: 10.1055/a-1103-5505
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Semper dancing diabetes

Antje Bergmann
1   Dresden
,
Peter E.H. Schwarz
2   Dresden
› Author Affiliations
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Publication Date:
09 April 2020 (online)

Was soll diese Überschrift bedeuten? Kürzlich feierte Dresden den Dresdner Semperopernball. Etwas, was ein rauschendes Fest für Dresden, Sachsen und darüber hinaus war … oder sein sollte. Neben den Skandalen, die sich um den diesjährigen Semperopernball rankten, steht ein solcher Ball neben vielen Dingen allerdings für eines – ausgiebiges Tanzen.

Tanzen und Diabetes verhalten sich wie Feuer und Wasser. Tanzen ist eine fantastische Möglichkeit, um nahezu jeden Muskel in unserem Körper zu beanspruchen. Jeder Muskel verbraucht Glukose und senkt damit den Blutzuckerspiegel. Nicht nur das – ein Muskel, der auch nur wenige Minuten beansprucht wurde, aber soweit, dass der Muskelstoffwechsel in Gang gekommen ist und die ersten Myokine produziert wurden, hat einen Nachbrenneffekt. Dieser kann mitunter auch 2 oder 3 Stunden nach Muskeltätigkeit noch wirksam sein. Wir kennen das bei Typ-1-Diabetespatienten, die körperlich aktiv waren und nach körperlicher Aktivität einen guten Blutzuckerspiegel haben, aber 2 oder 3 Stunden später aufgrund dieses Nachbrenneffektes in eine Hypoglykämie fallen. Die Muskulatur ist nach wie vor aktiv, Glykogenspeicher in der Leber werden aufgefüllt und dabei sinkt noch Stunden nach körperlicher Aktivität der Blutzuckerspiegel.

Bei stoffwechselgesunden Menschen, Prädiabetespatienten und auch bei vielen Typ-2-Diabetespatienten besteht das Hypoglykämierisiko praktisch nicht, aber die nachhaltigen gesunden Effekte von körperlicher Aktivität potenzieren sich miteinander. Schon eine halbe Stunde tanzen täglich reicht vermutlich aus, um ein gutes Level körperlicher Aktivität zu erreichen. Dabei ist es unerheblich, ob man einen Walzer tanzt oder Rock and Roll oder andere Musik nutzt (bei mancher Rockmusik ist das sicherlich anders) – Tanzen hat eine wunderbare und perfekte Auswirkung auf unsere Gesundheit. Außerdem kann Tanzen eine gute Lösung sein, um Patienten zu körperlicher Aktivität zu motivieren. Insbesondere bei Patienten, bei denen man bei der Motivation zu körperlicher Aktivität an seine Grenzen stößt, könnten außergewöhnliche Ansätze wie dieser zu einer Lösung führen.

Die Deutschen bewegen sich nur 2500 Schritte im Schnitt am Tag. Würden wir aber 10 000 Schritte täglich laufen, würden wir fast keine chronische Erkrankung bekommen. Im Schnitt sind wir 23 Stunden und 40 Minuten körperlich inaktiv. Sitzen ist eine tödliche Tätigkeit, da schon nach 17 Minuten Sitzen in Muskel- und Bindegewebszellen Prozesse starten, die dem Alterungs- und Sterbeprozess eines 87-Jährigen entsprechen.

Bewegung, Schritte laufen und tanzen ist das genaue Gegenteil davon. Tanzen ist der Jungbrunnen für viele unserer Patienten, Bewegung ist die Polypill des 21. Jahrhunderts. Wenn Sie – es muss ja nicht nur oder immer der Semperopernball sein – 1 Stunde lang tanzen, dann können Sie damit 20 000–25 000 Schritte erreichen. Probieren Sie es doch einfach mal aus.