Kinder- und Jugendmedizin 2020; 20(02): 119
DOI: 10.1055/a-1140-5105
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf für Herrn Prof. Dr. med. Otfried Butenandt

Wieland Kiess
1   Leipzig
,
Michael Ranke
2   Tübingen
,
Helmuth Dörr
3   Erlangen
,
Susanne Bechtold-Dalla Pozza
4   München
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
17 April 2020 (online)

Otfried Butenandt wurde 1933 in Göttingen geboren. Sein Vater Adolf F. J. Butenandt wurde 1939 mit dem Nobelpreis für Chemie für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Steroidhormone ausgezeichnet. Otfried Butenandt verbrachte einen Teil seiner Gymnasialzeit in Tübingen in Baden-Württemberg, wo sein Vater über lange Jahre das Max-Planck-Institut für Biochemie leitete. Er studierte von 1953 bis 1958 Medizin in Göttingen, Tübingen und München. Sein Staatsexamen legte er im Jahr 1960 in München ab. Nach einem Volontariat im Institut für Pathologie in München zog es ihn 1962 für ein Jahr nach Baltimore an das Johns Hopkins Hospital. Damals galt das Johns Hopkins Hospital als die Wiege und das Zentrum für pädiatrische Endokrinologie weltweit. Nach seiner Rückkehr aus den USA durchlief er die Facharztweiterbildung am Haunerschen Kinderspital in München unter Prof. Dr. med. Klaus Betke. Wissenschaftlich schloss er sich der Arbeitsgruppe von Herrn Professor Dieter Knorr an und spielte über Jahrzehnte eine wichtige Rolle als Kinderarzt und Endokrinologe im Haunerschen Kinderspital. Während sich Dieter Knorr mit seinen Schülern um Steroidanalytik und insbesondere die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Adrenogenitalem Syndrom bemühte, baute Otfried Butenandt Bestimmungsmethoden für Peptidhormone wie die Gonadotropine und insbesondere Prolactin und Wachstumshormon auf. Er begann nun schwerpunktmäßig im Labor, aber besonders auch in klinischen Studien die Wirkungen des hypophysären Wachstumshormons auf Wachstum und Stoffwechsel zu untersuchen. 1970 habilitierte sich Otfried Butenandt zu diesem Thema. 1976 wurde Otfried Butenandt Extraordinarius für Pädiatrie und schließlich 1980 Professor für Pädiatrie mit dem Schwerpunkt Wachstum am Haunerschen Kinderspital der Universität München. In den Folgejahren leitete er mit großer Umsicht und großer Hingabe die gesamte allgemeine Poliklinik des Haunerschen Kinderspitals, ohne seine Spezialisierung auf Wachstumsstörungen aufzugeben. 1998 erfolgte die Emeritierung.

Prof. Dr. med. Butenandt hatte sich dem Thema Wachstumshormon als einer der Ersten in Deutschland klinisch und wissenschaftlich gewidmet und war auch angeregt durch eine Zusammenarbeit mit der Rheumaklinik für Kinder in Garmisch-Partenkirchen, Professor Truckenbrod, auch an den Wirkungen von Wachstumshormon bei Wachstumsstörungen ohne Wachstumshormonmangel interessiert. Prof. Dr. med. Otfried Butenandt war über viele Jahrzehnte (bereits seit den frühen 70er-Jahren) ein international bekannter Kinderendokrinologe und Kinderarzt. Seit 1981 war er Mitglied der Studiengruppe für die Zulassung des gentechnisch hergestellten Wachstumshormons in Deutschland. Er war Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Endokrinologie (heute Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Endokrinologie) und der Growth Hormone Research Society und der Internationalen Gesellschaft für Wachstum und Entwicklung. Nicht zuletzt spielte Otfried Butenandt auch eine hingebungsvolle, viel beachtete und zentrale Rolle in der Entwicklung der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Endokrinologie. Über Generationen hat Otfried Butenandt Doktoranden in München betreut und gefördert. Er war ein gefragter Ratgeber, kollegialer Freund und bewunderter Mensch.

Am 10.03.2020 ist Otfried Butenandt im Alter von 87 Jahren nach langer geduldig ertragener Krankheit verstorben. Er wäre am 31.03.2020 88 Jahre alt geworden. Viele ehemalige Kolleginnen und Kollegen, Doktorandinnen und Doktoranden und ihm über den Beruf verbundene Freunde trauern mit seiner Familie. Otfried Butenandt wird uns allen als Mensch fehlen, er war als Kinderarzt Vorbild und hat sich neben seiner beruflichen Berufung als Kinderarzt und Kinderendokrinologe immer sehr über seine Familie und insbesondere über seine Kinder gefreut. Wir als seine Schüler und Kollegen widmen ihm diese Zeilen und denken an ihn.