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DOI: 10.1055/a-1194-1936
Fütterstörungen und kindliche Essstörungen

Ess- und Fütterstörungen im frühen Kindesalter sind ein häufiges Problem in pädiatrischen Praxen. Anamnese und eine am Problem orientierte Diagnostik schaffen die Grundlage für eine Stabilisierung der Mutter-Kind-Beziehung. Zuhören und professionell Beraten ist in vielen Fällen eine enorme Belastung. Der Beitrag gibt Empfehlungen für die pädiatrische Praxis anhand aktueller Leitlinien.
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Die ICD-10 F98.2, die Fütterstörung im frühen Kindesalter, ist die wichtigste Kodierungsziffer der kindlichen Essstörung/Fütterstörung.
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Theoretisch wird zwischen organischer und nicht organischer Gedeih- oder Fütterstörung/kindlicher Essstörung unterschieden. In der pädiatrischen Praxis ist dies wenig hilfreich, da sich somatische, psychosoziale und interaktionelle Faktoren gegenseitig beeinflussen.
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Organische Ursachen sind grundsätzlich vor einer verbalen Intervention auszuschließen.
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Die Essstörungen sind kein Unfall, sie entwickeln sich allmählich zu einem immer ernsteren Problem.
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Lernen am Vorbild ist ein wichtiger Antrieb, da das Kind erlebt, dass auffälliges Essverhalten bei einem Elternteil oder den Geschwistern mit Zuwendung beantwortet wird.
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Die Angst der Mutter zu versagen oder das Kind könne womöglich verhungern, ist ein wichtiger Antrieb. Spätestens in diesem Moment werden dem Kind fälschlicherweise „Leckereien“ angeboten.
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Eltern kennen oft nicht die rasche altersabhängige und nicht altersnormierte Entwicklung im Vorschulalter: Erstreben der eigenen Autonomie – im Volksmund auch „Trotzalter“ genannt.
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Essstörungen können im gesamten Vorschulalter auftreten und eine deutliche Tendenz zur Persistenz haben. Im Rahmen der U8 und U9 muss danach gefragt werden.
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Bei offensichtlichem Verdacht auf eine Essstörung/kindliche Fütterstörung müssen Familienanamnese und kindliches Essverhalten genau abgeklärt werden.
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Die Beziehung zur versorgenden Bezugsperson ist von besonderer Bedeutung. Eine Beziehungsstörung muss – auch ausgehend von einer psychiatrischen Erkrankung der Bezugsperson – ausgeschlossen werden. Beziehungsstörungen sind mit einer ungünstigeren Prognose verbunden.
Schlüsselwörter
Essstörung - Fütterstörung - Lernen am Erfolg - Entwicklungspsychologie - Beziehungsstörung - GedeihstörungPublikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
13. Juni 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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