Handchir Mikrochir Plast Chir 2020; 52(05): 372
DOI: 10.1055/a-1241-0567
Editorial

Skaphoidfrakturen und -pseudarthrosen

Scaphoid fractures and scaphoid non-unions
Karl-Josef Prommersberger

Selbstverständlich kann ich nur für die eigene Abteilung sprechen, aber ich glaube, dieses Schwerpunktheft „Skaphoidfrakturen und -pseudarthrosen“ wird Einfluss auf unseren klinischen Alltag haben. Nicht, dass wir zukünftig Patienten mit undislozierten Brüchen des Kahnbeins weniger häufig operieren werden, denn Patienten mit undislozierten Kahnbeinfrakturen, die zu uns überwiesen werden, sind von unseren Zuweisern bereits für eine Operation vorselektioniert. Aber wir werden sie in Zukunft strenger über die guten Erfolgsaussichten einer konservativen Behandlung – wie von Chan und Grewal beschrieben – aufklären müssen.

Die Diagnostik der Kahnbeinfraktur und -pseudarthrose hat in Bad Neustadt dank Prof. Reiner Schmitt, seiner Mitarbeiter und seines Nachfolgers bereits einen hohen Standard, wie die Arbeit von Fodor und Mitarb. belegt. So wird die Entscheidung, ob eine Kahnbeinfraktur operiert werden muss oder konservativ behandelt werden kann, stets anhand einer Computertomographie (CT) in Längsachse des Kahnbeins getroffen. Die Arbeiten von Schmidle und Mitarb. sowie Ladislav Nagy belegen eindrücklich den Stellenwert der 3D-CT in der Diagnostik, aber auch für die Therapieplanung von Kahnbeinfrakturen und -pseudarthrosen. Hier haben wir Nachholungsbedarf, wobei zu überlegen ist, ob man nicht gleich auch die 4D-CT implementiert.

Wir werden auch nicht umhinkommen, uns mit der arthroskopischen Versorgung von Kahnbeinpseudarthrosen auseinanderzusetzen, wie sie von Haugstvedt und Wong auch unter Erwähnung persönlicher Nuancen hier beschrieben wurde.

Dass das vaskularisierte Knochentransplantat aus der medialen Femurkondyle aus der Behandlung mehrfach erfolglos voroperierter und/oder avaskulärer Kahnbeinpseudarthrosen nicht mehr wegzudenken ist, unterstreichen die Arbeiten von Arora und Mitarb. sowie Kalb und Mitarbeiter. Dass die Innsbrucker Kollegen heute das Knochentransplantat vom medialen Femurkondylus gegenüber dem vaskularisierten Span vom Beckenkamm bevorzugen, liegt daran, dass dieser einfacher zu heben, die Blutversorgung konstanter und bei Bedarf auch ein Ersatz des gesamten proximalen Kahnbeinpoles mittels osteochondralem Transplantat möglich ist. Dass man jedoch auch mit dem vaskularisierten Knochenspan von der medialen Femurkondyle an die Grenzen des Machbaren bei der Rekonstruktion problematischer Kahnbeinpseudarthrosen stoßen kann, zeigt die Arbeit von Kalb und Mitarb. mit der Erfahrung von mehr als 280 Kahnbeinrekonstruktionen mittels Transplantaten aus der medialen Femurkondyle.

Wie wichtig es ist, eine Kahnbeinpseudarthrose nicht nur zum Heilen zu bringen, sondern zugleich das Kahnbein in Form und Länge wiederherzustellen, zeigt der Beitrag von Ladi Nagy. Basierend auf 3D-CTs führen die Züricher Kollegen nicht nur am Unterarm, sondern auch am Kahnbein am Computer geplante Rekonstruktionen mittels patientenspezifischer Bohr- und Sägeschablonen durch. Auch hier haben wir Nachholbedarf, allerdings nicht nur im klinischen Alltag, sondern auch in der Abbildung im DRG-System zur Finanzierung dieser aufwendigen Planung und Durchführung von Kahnbeinrekonstruktionen.

Vor Jahr und Tag wollte ich mir bereits bei Paco (Francisco del Pinal) seine Technik der arthroskopischen mediokarpalen Teilversteifung anschauen, leider ist es nie dazu gekommen. Nachdem er jetzt seine Technik weiter verfeinerte und die Operationszeit kürzer als die Blutleerezeit ist, werde ich mich – sobald COVID-19 es zulässt – auf den Weg nach Santander oder Madrid machen. Auch wenn noch nicht bewiesen ist, dass die arthroskopische Teilversteifung der offenen überlegen ist, so muss man doch ihre theoretischen Vorteile anerkennen und sich deshalb damit auch praktisch auseinandersetzen.

Ich wünsche allen unseren Lesern Freude beim Lesen dieses Schwerpunktheftes „Skaphoidfrakturen und -pseudarthrosen“.

Karl-Josef Prommersberger
Bad Neustadt im September 2020



Publication History

Article published online:
29 September 2020

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