Z Geburtshilfe Neonatol 2021; 225(06): 461
DOI: 10.1055/a-1305-6121
Editorial

Säugling und Zeitgeist – ein Blick in historische Wiegekarten

Dominique Singer
1   Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Zentrum für Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE)
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Liebe Leserinnen und Leser,

das vorliegende „Jahresabschlussheft“ der Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie (ZGN) enthält in der Rubrik „Geschichte der Perinatalmedizin“ einen Beitrag, der einmal mehr die Einflüsse des Zeitgeistes auf die Versorgung des Säuglings erkennen lässt. Die Autoren M. David und A. D. Ebert, die die Zeitschrift dankenswerterweise mit medizingeschichtlichen Schlaglichtern bereichern, vermitteln hier einen Einblick in Wiegekarten, wie sie Mitte der 1950er Jahre in der ehemaligen DDR und der BRD verteilt wurden, um nicht nur die Gewichtsentwicklung des Säuglings zu dokumentieren, sondern auch Ratschläge zur Gesundheitsvorsorge zu propagieren. Während auf dem Einband der Version West unter der Schlagzeile „Gut vorwärts hilft …“ Werbung für eine Vollkornnahrung platziert war, die „ohne Überfütterung des Säuglings in zahlreichen Kliniken im Gebrauch“ sei, fanden sich in der Version Ost unter dem Appell „Mutter, wenn Du Dein Kind lieb hast und es behalten willst, dann stille es selbst!“ umfängliche Belehrungen über die Vorzüge der Muttermilch. Ein originelles Zeugnis der jeweiligen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen (und differenten Einstellungen zur Säuglingsernährung) also, welches uns hier unter dem Mantel der Elternaufklärung begegnet.



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Article published online:
16 December 2021

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