NOTARZT 2021; 37(S 01): S1-S19
DOI: 10.1055/a-1310-6763
Übersicht

Erfahrungen zur Gewalt gegen Rettungskräfte – aus der Sicht des DRK

Experiences of Violence Against Emergency Ambulance Service Staff from the Perspective of the GRC
Peter Sefrin
1   Deutsches Rotes Kreuz, Generalsekretariat, Berlin, Deutschland
,
Annette Händlmeyer
1   Deutsches Rotes Kreuz, Generalsekretariat, Berlin, Deutschland
,
Thomas Stadler
2   Bayerisches Rotes Kreuz, Abteilung Rettungsdienst, Landesgeschäftstelle, München, Deutschland
,
Wolfgang Kast
1   Deutsches Rotes Kreuz, Generalsekretariat, Berlin, Deutschland
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Zusammenfassung

Berichte über Gewalt gegen Rettungskräfte werden immer häufiger. Vor diesem Hintergrund sollten spezielle Faktoren eruiert werden. Im Jahr 2019 führte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) eine Umfrage zum Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte im Rettungsdienst durch. In insgesamt 425 Fragebogen berichteten Einsatzkräfte über mindestens eine Gewaltanwendung in den vergangenen 12 Monaten. Ziel der Befragung war nicht die Erfassung der konkreten Anzahl der Übergriffe, sondern das Gewinnen von Angaben zu den Rahmenbedingungen. Die betroffenen Rettungsdienstmitarbeiter[ 1 ] waren zu 73,4% männlich und überwiegend in der Altersgruppe der 18 – 29-Jährigen. Es waren sowohl Notfallsanitäter (29,4%), Rettungsassistenten (14,8%) und Rettungssanitäter (33,6%) als auch weitere Rettungsdienstmitarbeiter betroffen. Die Übergriffe waren hauptsächlich verbal (40,3%). Der Anteil der tätlichen Gewalt betrug 14,4%. Die körperlichen Angriffe ereigneten sich meist seltener als 1 – 2-mal pro Monat (83,8%), während die verbalen Angriffe oft häufiger erfolgten. Jeder 2. Angriff passierte im innerstädtischen Bereich (52,2%), wobei sozial problematische Wohngebiete vordergründig waren. Die Verteilung ist jedoch abhängig von Orten mit verschiedenen Einwohnerzahlen. Am häufigsten fanden die Gewaltanwendungen abends und nachts statt, meist während der Versorgung des Patienten (56,7%). Der Täter war in drei Viertel der Fälle der Patient selbst, jedoch zu gleichen Teilen auch Freunde (42,6%) und Angehörige (40,7%). Ein Schwerpunktort der Übergriffe sind unabhängig von der Größe der Orte Großveranstaltungen. Soweit feststellbar spielten Alkohol und Drogen eine wesentliche Rolle. Die Folge seitens der Betroffenen war bei 2,1% eine so schwere Schädigung, dass sie zu einer Krankschreibung von 1 Tag und im Extremfall bis zu 40 Tagen führte. In jedem 2. Fall wurde die Polizei entweder aufgrund des Meldebildes oder durch den Rettungsdienst vor Ort alarmiert. 76% der Betroffenen wünschen eine gesonderte Schulung im Umgang mit Gewalt im Rahmen der Fortbildung. Das Mittel der Wahl seitens der Politik zur Verbesserung der Situation ist nach Meinung der Rettungsdienstmitarbeiter die Anhebung der pekuniären Strafen. Eine weitere Strafverschärfung scheint vor dem Hintergrund des Täterprofils und der Umgebungsbedingungen und der bei der in der Bevölkerung teilweise bestehenden Respektlosigkeit kein gangbarer Weg zu sein. Inwieweit eine intensivere Aufklärung zu einer Verbesserung der Situation führen kann, kann derzeit nur vermutet werden. Aus den Ergebnissen abgeleitet wurden Forderungen für die Zukunft erhoben.

Abstract

Reports about violence against emergency ambulance service staff are becoming increasingly frequent. Against this backdrop, descriptive factors about the assaults should be identified. In 2019, the German Red Cross (GRC) conducted a survey on violence against employees in emergency medical services. In a total of 425 questionnaires, emergency personnel reported at least one instance of violence in the past 12 months. The aim of the survey was not to record the actual number of assaults but to provide information on the framework conditions. 73.4% of the affected ambulance service employees were male and mostly in the age group of 18 – 29 years. Emergency care paramedics (29.4%), paramedics (14.8%) and emergency medical technicians (33.9%) as well as other emergency ambulance service employees were affected.[ 2 ] The assaults were mainly verbal (40.3%). The percentage of physical violence was 14.4%. While physical attacks often occurred less than 1.2 times per month (83.3%), verbal attacks occurred more frequently. Every second attack occurred in inner-city areas (52.2%), with socially problematic residential areas being the most prominent. The distribution, however, also depends on the number of inhabitants of the places. The most frequent incidents of violence occurred in the evening and at night, mostly during the care of the patient (56.7%). In three quarters of the cases, the perpetrator was the patient himself, but friends (42.6%) and relatives (40.7%) were also involved. The focal point of the assaults is independent of the scale of the events. As far as it can be ascertained, alcohol and drugs played a major role. The consequence for the affected was that 2.1% suffered such severe damage that they were on sick leave for 1 day (22.2%) and in extreme cases up to 40 days. In every second case, the police was alerted either by the reported emergency case or by the emergency ambulance service on site. 76% of those affected would like to receive special training in dealing with violence as part of the educational program. The preferred approach on the part of politics to improve the situation is, according to the emergency ambulance service staff, the increase in pecuniary sanctions. A further increase in non-financial punishment does not appear to be a viable option, given the profile of the perpetrator, the environmental conditions and the disrespect that exists in some areas of the population. To what extent a more intensive education can lead to an improvement of this situation can currently only be speculated. Requirements for the future were formulated based on the results.

1 Im Sinne der besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag ausschließlich die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.


2 Erläuterung: “Emergency care paramedic” entspricht hier dem deutschen Begriff Notfallsanitäter. “Paramedic” entspricht hier dem deutschen Begriff Rettungsassistent. “Emergency medical technician” entspricht hier dem deutschen Begriff Rettungssanitäter.




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Article published online:
18 February 2021

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