Aktuelle Urol 2021; 52(03): 227-229
DOI: 10.1055/a-1323-8927
Recht in der Praxis

Die Aufklärung über Behandlungsalternativen bei einer Blinddarmentfernung: Feststellung eines echten Entscheidungskonflikts bei einem verstorbenen Patienten

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 15.10.2018 – Az. 5 U 76/16
Kathrin Thumer

I. Zum Sachverhalt

Die Mutter des Klägers wurde am 26.02.2010 wegen rechtsseitiger Unterbauchschmerzen im Krankenhaus der Beklagten stationär aufgenommen. Aufgrund der Diagnose einer perforierten Blinddarmentzündung wurde unmittelbar am gleichen Tag eine laparoskopische Appendektomie durchgeführt; ein Verschluss der Trokaröffnungen erfolgte nur für einen der drei Zugänge. Die Patientin konnte nach komplikationslosem postoperativem Verlauf am 04.03.2010 entlassen werden. Sie musste jedoch am 11.03.2010 notfallmäßig wegen starken Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen wieder stationär aufgenommen werden. Im weiteren Verlauf wurde eine diagnostische Laparoskopie durchgeführt, bei der eine in einem der Inzisionskanäle der Voroperation adhärente Dünndarmschlinge und eine kotige Peritonitis festgestellt wurde; nach Umstieg auf eine Laparotomie zeigte sich eine Perforation des Dünndarms, die operativ beseitigt wurde. Im Rahmen der anschließenden intensivmedizinischen Betreuung entwickelte sich eine Sepsis mit wechselndem Verlauf. Die Patienten verstarb am 30.03.2010 an Multiorganversagen.

Der klagende Sohn der Patientin machte aus ererbtem Recht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern im Zusammenhang mit der stationären Behandlung seiner Mutter geltend. Zur Begründung der Aufklärungsrüge führte er aus, dass seine Mutter im Vorfeld der laparoskopischen Appendektomie am 26.02.2010 nicht ordnungsgemäß über die Alternative einer offenen Blinddarmoperation und die bestehenden Risiken aufgeklärt worden sei. Die Beklagte hat sich insoweit auf eine ordnungsgemäße Aufklärung berufen und weiterhin den Einwand der sog. hypothetischen Einwilligung erhoben; d. h. sie hat vorgetragen, dass die Patientin – im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung – auch bei zutreffender Aufklärung über die Operationsrisiken in den Eingriff eingewilligt hätte.

In erster Instanz wies das Landgericht Köln die Klage ab (Urteil vom 25.05.2016 – 25 O 388/13) und verneinte sowohl Behandlungs- als auch Aufklärungsfehler. Hinsichtlich der Aufklärungsrüge wurde nach umfassender Beweisaufnahme durch Einholung von Sachverständigengutachten festgestellt, dass es zu der am 26.02.2010 durchgeführten Operation keine Alternative gab. In Anbetracht der konkreten Behandlungssituation insbesondere unter Berücksichtigung der bei der Patientin vorliegenden Adipositas sei die endoskopische Vorgehensweise standardgemäß gewesen. Eine offene Operation habe keine aufklärungspflichtige Behandlungsalternative dargestellt. Schließlich betonten die Richter die eindeutige Indikation der Operation und deren Alternativlosigkeit und gingen insoweit auch von einer hypothetischen Einwilligung der Patientin aus.

Mit seiner Berufung wandte sich der Kläger gegen die Entscheidung des Landgerichts Köln und verfolgte die geltend gemachten Ansprüche weiter. Er berief sich fortführend auf zahlreiche Behandlungsfehler und im Ergebnis auch weiterhin auf eine unzureichende Aufklärung. Er gab insoweit insbesondere an, dass seine Mutter am 26.02.2010 nicht über das Risiko einer Narbenhernie aufgeklärt worden sei.

Das Oberlandesgericht Köln hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 15.10.2018 – 5 U 76/16 – zurückgewiesen.



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Article published online:
21 May 2021

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