Z Orthop Unfall 2022; 160(03): 307-316
DOI: 10.1055/a-1337-3435
Original Article/Originalarbeit

Analyse präoperativer und operativer Einflussfaktoren auf eine postoperative Schulterimbalance bei adoleszenter idiopathischer Skoliose Typ 1 nach Lenke

Article in several languages: English | deutsch
1   Department of Spinal Surgery with Scoliosis Centre, Schön Klinik Neustadt, Neustadt in Holstein, Germany
,
Markus Quante
1   Department of Spinal Surgery with Scoliosis Centre, Schön Klinik Neustadt, Neustadt in Holstein, Germany
,
Esther Freifrau von Richthofen
2   Orthopaedics, Orthopädie Leonberg, Leonberg, Germany
,
Henry Halm
1   Department of Spinal Surgery with Scoliosis Centre, Schön Klinik Neustadt, Neustadt in Holstein, Germany
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Zusammenfassung

Hintergrund Die postoperative Schulterimbalance ist eine häufige und für die Patientenzufriedenheit relevante Komplikation bei der adoleszenten idiopathischen Skoliose. Die Datenlage in der Literatur ist gering und inkongruent in Bezug auf die Vorhersage und Behandlung der postoperativen Schulterimbalance. Einige Studien kommen zu dem Schluss, dass die postoperative Schulterimbalance von den oberen instrumentierten Wirbelkörpern, der Skelettreife, dem Ausmaß der Korrektur oder Flexibilität der Hauptkrümmung abhängig ist.

Fragestellung Können durch präoperative radiologische Parameter anhand konventioneller Röntgenbilder und Traktionsaufnahmen sowie der Korrektur der Krümmungen Einflussfaktoren auf die postoperative Schulterimbalance bestimmt werden?

Material/Methoden Prospektiv erfasste Daten von adoleszenten idiopathischen Skoliosen mit thorakaler Krümmung (Typ 1 nach Lenke), operiert 2015 – 2018 an einem Skoliosezentrum, wurden anhand von Röntgenaufnahmen der gesamten Wirbelsäule (prä-, postOP und Follow-up [FU]) und präOP-Traktionsaufnahmen retrospektiv analysiert: Alter, Korrektur der proximalen, Haupt- und lumbalen Krümmung, Schulterhöhe (mm), Klavikulawinkel (°), T1-Winkel (°), koronare Lotabweichung (mm). Die Ergebnisse wurden als Mittelwerte mit Standardabweichung angegeben. Die Veränderung der Parameter im Verlauf (postOP-FU) wurden mithilfe des t-Tests verglichen (Signifikanzniveau α = 0,05). Der Zusammenhang der präOP-Parameter sowie des Ausmaßes der Korrektur mit der postoperativen Schulterimbalance (|≥|15 mm) wurde durch die Korrelationsanalyse nach Pearson und Regressions-Klassifikations-Analyse statistisch analysiert.

Ergebnisse Es wurden 55 adoleszente idiopathische Skoliosen im Alter von durchschnittlich 15 ± 1,4 Jahren untersucht. Die FU-Rate betrug 80% (n = 44) nach durchschnittlich 15 Monaten. Korrektur der proximalen Krümmung: 47,0%, Hauptkrümmung: 75,8%; lumbale Krümmung: 68,8%, ohne statistisch signifikante Veränderung (Δ) im FU (p > 0,05). Die Schulterhöhe betrug − 11,0 ± 12,7 mm (präOP), 15,5 ± 13,4 mm (postOP), 10,1 ± 10,6 mm (FU; p < 0,05). 38% der adoleszenten idiopathischen Skoliosen hatten einen präOP Schulterhochstand rechts; 55% (postOP) und 32% (FU) hatten eine postoperative Schulterimbalance (Hochstand links). Mit einem statistisch starken Effekt ergaben sich Korrelationen für ΔSchulterstand (FU-präOP) mit jeweils dem präOP Schulterstand (r = − 0,7), der ΔSchulterstand (Traktionsaufnahmen-präOP; r = 0,5) und dem präOP Klavikulawinkel (r = − 0,5). Bei einer Korrektur der proximalen Krümmung von ≤ 64,4% hatten 81,8% der Fälle keine postoperative Schulterimbalance in der Regressions-Klassifikations-Analyse, einen nachgeordneten Einfluss hatte die Korrektur der Haupt- und der lumbalen Krümmung, ΔSchulterstand (Traktionsaufnahmen-präOP).

Diskussion Die postoperative Schulterimbalance ist auch bei adoleszenten idiopathischen Skoliosen vom Typ 1 nach Lenke eine häufige Komplikation. Bei der präoperativen Planung sollten Traktionsaufnahmen, der präoperative Schulterstand und Klavikulawinkel zu Vermeidung einer postoperativen Schulterimbalance berücksichtigt werden. Eine moderate Korrektur der proximalen Krümmung ist essenziell für eine postoperative Schulterbalance.



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Article published online:
18 February 2021

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