ergopraxis 2021; 14(04): 1
DOI: 10.1055/a-1366-8611
Editorial

Ist der Weg durch die Krise „autismusfreundlich“?

Cornelia Paries

Können Sie sich vorstellen, dass jemand zur Begrüßung nicht die Hand geben möchte? Oder dass Abstand zu anderen als angenehm empfunden wird? Und wären Ihre Antworten vor einem Jahr anders ausgefallen? Am 22.3.2020 begann hierzulande der erste Lockdown. Sich kontaktlos zu begrüßen war für viele eine neue Erfahrung. Wir lernten, digitale Medien und Telefonate persönlichen Treffen vorzuziehen. Wir hielten Abstand und mieden Menschenansammlungen.

Menschen mit Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation schätzten und lebten diese Dinge mitunter bereits vor der Pandemie. Dr. Anas Nashef, Arzt im Autismus-Therapiezentrum Bremerhaven, sagt dazu: „Gezwungen durch die Krise, hat sich die Welt gewissermaßen für den autistischen Weg entschieden, für einen autistischen Way of Life“.[*] Er bezieht sich darauf, dass Menschen mit Autismus durch die Corona-Maßnahmen bisweilen eine Entlastung erfahren. Gleichzeitig sind die Herausforderungen für alle immens – insbesondere für Menschen mit Autismus: Ständige Veränderung, fehlende Struktur und Unsicherheit nehmen vielen Betroffenen die notwendige Stabilität. Christine Preißmann ist Ärztin und Psychotherapeutin mit Asperger-Syndrom. Sie beschreibt ab Seite 40 beide Seiten und gibt Tipps, wie Menschen mit Autismus leichter durch die Pandemie kommen können.

Vielleicht verstehen wir heute besser, dass es jemand vorzieht, nicht die Hand zu schütteln, oder dass Abstand zum persönlichen Wohlbefinden beiträgt. Und womöglich fällt es uns auch leichter, uns in einen kleinen Bereich des autistischen Erlebens einzufühlen als noch vor der Pandemie.

Ihre

Cornelia Paries

„Die Krise als Chance zur Änderung der Perspektive sehen.“



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Article published online:
25 March 2021

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