Phlebologie 2021; 50(03): 184-195
DOI: 10.1055/a-1394-3111
Schwerpunktthema

Das May-Thurner-Syndrom – der Beckenvenensporn – in heutiger Zeit

May-Thurner syndrome – the pelvic vein spur – in modern times
Dieter Urbas
1   Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Landeskrankenhaus Feldkirch, Österreich
2   Institut für Klinisch-Funktionelle Anatomie, Medizinische Universität Innsbruck, Österreich
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2   Institut für Klinisch-Funktionelle Anatomie, Medizinische Universität Innsbruck, Österreich
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Zusammenfassung

Hintergrund Venensporne in der linken V. iliaca communis sind eine bekannte Entität, insbesondere im Zusammenhang mit schweren tiefen Beckenvenenthrombosen. Allerdings sind fundierte Kenntnisse über diese Sporne nur spärlich vorhanden. Es wurden 5 Formen von Venenspornen beschrieben: zentrale Sporne, Adhäsionen, Brücken, Klappen und Bänder. Dennoch sind sowohl die Lokalisation als auch die Position von venösen Spornen nicht angemessen untersucht worden.

Material/Methoden 101 Körper (68 Frauen, 33 Männer), die dem Institut für Klinisch-Funktionelle Anatomie mit informierter Zustimmung vermacht wurden, wurden untersucht. Ein Individuum musste aufgrund einer Tumorinfiltration ausgeschlossen werden.

Der Startpunkt (mp0) wurde am kaudalsten Teil des Zusammenflusses der beiden gemeinsamen Beckenvenen definiert, der distalste Punkt (mp5) an der Mündung der linken aufsteigenden Lumbalvene. Nach der Teilung der Länge in 4 Viertel wurden Dicke und Umfang an jedem Messpunkt gemessen. Die Klassifizierung der Sporne wurde nach Pinsolle et al. (1982) durchgeführt.

Ergebnisse Die Wanddicke nahm vom Startpunkt (Mittelwert: 0,21 mm) zum ersten Viertel (Mittelwert: 0,16 mm) ab und dann bis zum vierten Viertel (Mittelwert: 0,24 mm) kontinuierlich wieder zu. Der Umfang war am Startpunkt maximal (Mittelwert: 45,45 mm), nahm zum zweiten Viertel hin ab (Mittelwert: 38,14 mm) und nahm dann bis zum vierten Viertel wieder zu (Mittelwert: 39,32 mm).

Insgesamt fanden wir am Zusammenfluss 125 Sporne; im ersten, rechten Viertel 23 Sporne, im zweiten Viertel 18 Sporne, im dritten Viertel 11 Sporne, und im linken, vierten Viertel auch noch 4 Sporne. Zwei Individuen wies keinen venösen Sporn auf.

Schlussfolgerung Zentrale venöse Sporne treten unmittelbar am venösen Zusammenfluss auf. Sie könnten Überreste von ostialen Klappen sein, während die anderen Typen andere Ursachen haben könnten. Zum Beispiel kann eine Verwachsung aus der embryologischen Entwicklung stammen, was durch den Fund unterschiedlicher Wandstärken unterstützt wird. Auch ohne Kompression der linken V. iliaca communis fanden wir erhebliche Umfangsunterschiede, die zu deutlichen Unterschieden in den Kalibern führten. Während der Embryogenese bildet sich der proximale Teil der linken V. iliaca communis als anastomotisches interkardinales Netzwerk kleiner Venen, die im Laufe der weiteren Entwicklung verschmelzen. Die Annahme eines unterschiedlichen embryonalen Ursprungs der verschiedenen Viertel, entweder Kardinalvene oder venöses anastomotisches Netzwerk, wird durch die Unterschiede sowohl in der Dicke der Venenwand als auch im Venenumfang unterstützt. Mit Ausnahme der kaudalen zentralen Sporne am Zusammenfluss stellen sie grundsätzlich ein Strömungshindernis dar und können so einen prädisponierenden Faktor für eine tiefe Venenthrombose darstellen. Diese Strukturen finden sich zudem nicht nur am Zusammenfluss, sondern auch über die ganze Länge der interkardinalen Anastomose. Demnach erscheint ein ursächlicher Zusammenhang mit einer Kompression durch die A. iliaca communis dextra unwahrscheinlich.

Abstract

Background Venous spurs in the left common iliac vein are a well-known entity, especially in the context of severe deep pelvic vein thrombosis. However, sound knowledge of these spurs is sparse. Five forms of venous spurs have been described: central spurs, adhesions, bridges, valves, and bands. Nevertheless, both the localization and position of venous spurs have not been adequately studied.

Material/methods 101 bodies (68 females, 33 males) bequeathed to the Institute for Clinical and Functional Anatomy with informed consent were studied. One individual had to be excluded due to tumour infiltration.

The starting point (mp0) was defined at the most caudal part of the two common iliac veins' confluence, the most distal point (mp5) at the mouth of the left ascending lumbar vein. After dividing the length into four quarters, thickness and circumference were measured at each measurement point. Classification of spurs was done according to Pinsolle et al. (1982).

Results Wall thickness decreased from the starting point (mean: 0.21 mm) to the first quarter (mean: 0.16 mm) and then continuously increased again until the fourth quarter (mean: 0.24 mm). The girth was maximum at the starting point (mean: 45.45 mm), decreased towards the second quarter (mean: 38.14 mm), and then increased again until the fourth quarter (mean: 39.32 mm).

In total, we found 125 spurs at the confluence; in the first, right quarter 23 spurs, in the second quarter 18 spurs, in the third quarter eleven spurs, and the left, fourth quarter also four spurs. Two individuals had no venous spur.

Conclusion Central venous spurs occur solely at the venous confluence. They could be remnants of ostial valves, while the other types could have other causes. For example, an adhesion may originate from embryological development, supported by the finding of different wall thicknesses. Even without compression of the left iliac vein, we found considerable differences in circumference, resulting in marked differences in calibre. During embryogenesis, the left iliac vein's proximal part forms as an anastomotic intercardinal network of small veins that fuse during further development. The assumption of a different embryonic origin of the different quarters, either cardinal vein or venous anastomotic network, is supported by the differences in both vein wall thickness and venous circumference. Apart from the caudal central spurs at the confluence, they are fundamentally an obstruction to flow and maybe a predisposing factor for deep venous thrombosis. Moreover, these structures are found at the confluence and along the entire length of the intercardinal anastomosis. Accordingly, a causal relationship with compression by the right common iliac artery seems unlikely.



Publication History

Article published online:
29 April 2021

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