Z Orthop Unfall 2022; 160(05): 507-516
DOI: 10.1055/a-1398-6055
Review/Übersicht

Das Iliosakralgelenk als Generator für Rückenschmerz. Ein Review über Morphologie und Erklärungsmodelle zur Schmerzgenese

Article in several languages: English | deutsch
Anna Völker
1   Orthopaedic, Trauma Surgery and Plastic Surgery Clinic, Leipzig University Clinics, Germany
,
Hanno Steinke
2   Anatomical Institute, Leipzig University, Germany
,
Christoph-Eckhard Heyde
1   Orthopaedic, Trauma Surgery and Plastic Surgery Clinic, Leipzig University Clinics, Germany
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Zusammenfassung

Einleitung Dem Iliosakralgelenk (ISG) wird in den letzten Jahren ein zunehmender Stellenwert als Schmerzgenerator von Kreuzschmerz mit und ohne pseudoradikuläre Ausstrahlung in die Beine zugeschrieben. Es wird heutzutage davon ausgegangen, dass bis zu 27% der beklagten Rückenschmerzen durch Störungen im Bereich des Iliosakralgelenks generiert werden.

Methode Übersichtsarbeit auf Grundlage einer selektiven Literaturrecherche zum ISG als möglichem Schmerzgenerator unter Berücksichtigung der anatomischen Strukturen und der Innervation des ISG.

Ergebnis Das ISG ist ein komplexes Gelenk im Bereich des hinteren Beckens und wird aus dem Sakrum und dem Ilium knöchern gebildet. Das ISG ist fähig, Bewegungen mit sehr geringem Ausmaß in allen 3 Ebenen des Raumes durchzuführen. Die Gelenkstabilität wird durch die Form und insbesondere durch starke interossäre und extraossäre Bänder gewährleistet. Anatomische Besonderheiten im Bereich des ISG, wie zusätzliche extraartikuläre Nebengelenke oder Ossifikationszentren, können regelmäßig in CT-Untersuchungen beobachtet werden. In Bezug auf die Innervation besteht weiterhin in der Literatur eine Kontroverse. Einig ist man sich jedoch über eine dorsale Innervation des ISG aus lateralen Ästen der dorsalen Rami der Spinalnerven S I – S III mit Anteilen von L III und L IV bzw. S IV. Auch in den umliegenden Bändern konnten Nervenfasern und Mechanorezeptoren nachgewiesen werden.

Schlussfolgerung Die genauere Betrachtung der Anatomie und der Innervation des ISG zeigt, dass das ISG mehr ist als ein einfaches Gelenk. Das diffizile Zusammenspiel vom ISG mit seinen umgebenden Strukturen lässt die Möglichkeit einer Schmerzentstehung aus diesem Bereich und damit ggf. der umgebenden Strukturen plausibel erscheinen und sollte zwingend bei der Diagnostik und Behandlung von Kreuz- bzw. Beinschmerz miteinbezogen werden. Die Literatur zeigt eine Reihe nachvollziehbarer Erklärungsmodelle für das ISG als Schmerzgenerator. Das Wissen um die besondere Anatomie, die komplexe Innervation sowie die spezielle und z. T. sehr individuelle Funktionalität dieses Gelenks erlauben ein besseres Verständnis assoziierter Pathologien und Beschwerden.



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Article published online:
03 May 2021

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