Notaufnahme up2date 2021; 03(04): 298-299
DOI: 10.1055/a-1543-9106
Editorial

Editorial

Martin Pin

Am Anfang dieser Ausgabe lesen Sie ein vielleicht etwas bildungs-philosophisches Editorial.

Aus-, Fort- und Weiterbildung stehen formal und inhaltlich für unterschiedliche Konzepte. In der Ausbildung steht die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten im Vordergrund und sie endet in der Regel mit einem Abschluss (z.B. Studium), der zur Ausübung des Berufes befähigt. Die ärztliche Weiterbildung beinhaltet das Erlernen spezieller ärztlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten nach abgeschlossenem Studium. „Im Interesse der Patienten werden die in der Ausbildung geprägten ärztlichen Kompetenzen und Haltungen während der Weiterbildung vertieft.“ (aus Präambel der MWBO 2018). Stetige Fortbildung, die schon allein aufgrund intrinsischer Motivation stattfinden sollte, wird aufgrund der „Verpflichtung zur Fortbildung“ und Implementierung als Qualitätssicherungsmaßnahme durch den Nachweis von CME (Continuing Medical Education)-Punkten in § 95d SGB V verpflichtend.

Allen gemeinsam ist jedoch der Begriff „Bildung“. Der mannigfaltig definierte und in den Bildungswissenschaften diskutierte Begriff der Bildung wird im Bildungsideal von v. Humboldt unter anderem „als die durchgängige Wechselwirkung des theoretischen Wissens und des praktischen Willens“ dargestellt. Bildung bedeutet somit Persönlichkeitsentwicklung, die Fähigkeit zur gedanklichen Auseinandersetzung mit unserer Umwelt, mit unseren Mitmenschen, im beruflichen Umfeld mit Patient/-innen und Kolleg/-innen und letztlich mit uns selbst. Bildung ist Ausdruck unserer Persönlichkeit und unserer Haltung. Vor diesem Hintergrund werden Aus-, Fort- und Weiterbildung nicht nur zu zweckbestimmten, wissensvermittelnden Phasen, sondern es wird ein lebenslanger „Bildungsweg“ beschritten, der bestenfalls zu einer möglichst umfassenden Erkenntnis in der Behandlung unser Patient/-innen führt.

Mittlerweile ist die Zusatzweiterbildung (ZWB) „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ bundesweit etabliert und kann in allen Landesärztekammern erworben werden. Der Erwerb dieser ZWB ist ein wichtiger Schritt hin zu einer weiteren Professionalisierung der Notfallmedizin als eigenständiger Fachlichkeit. Insofern darf die ZWB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ nicht nur ein zusätzliches Zertifikat sein, welches ein „Leistungserbringer“ vorweisen muss. Der Erwerb der ZWB ist Bekenntnis und Ausdruck einer notfallmedizinischen Haltung und der Identifikation mit der Notfallmedizin als Fachlichkeit – mit all ihren spannenden, erkenntnisreichen Facetten.

„Man sieht nur, was man weiß.“
Johann Wolfgang von Goethe an Friedrich von Müller, 24. April 1819

Dieses bekannte Goethe Zitat lautete in seiner ursprünglichen, eigentlichen Fassung: „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht“.

Übertragen auf das Berufsfeld der Notfallmedizin bedeutet dies, dass wir täglich vor der großen Herausforderung stehen, umfassende und breite Krankheitsbilder aller möglichen Organsysteme und Körperkompartimente zu sehen und zu beurteilen. Deswegen ist der intrinsische Antrieb, unser „Wissen und Verständnis“ zu erweitern, unsere stetige Motivation. Dabei hilft zuweilen auch die durchaus schmerzhafte Erfahrung der eigenen Unzulänglichkeit und Unkenntnis.

In diesem Sinne hoffen wir, mit dieser Ausgabe von „Notaufnahme up2date“ wieder einen Beitrag zum Erkenntnisgewinn, Verständnis und damit zur Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Notfallmedizin liefern zu können.

Herzlichst
Ihre / Eure
Martin Pin, Bernhard Kumle, Michael Bernhard, Frank Eifinger, Ingo Gräff, Thomas Henke, Christian Künstler, Dominik Michalski, Benjamin Ondruschka, Sylvia Schacher



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
13. Oktober 2021

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