Aktuelle Urol 2021; 52(06): 512-514
DOI: 10.1055/a-1561-5261
Referiert und kommentiert

Kommentar

Contributor(s):
Niklas Westhoff

Bei schweren, insbesondere bakteriellen Infektionen mit systemischer Manifestation, wird die Produktion von Procalcitonin (PCT), dem Prohormon von Calcitonin, vermittelt durch TNF-alpha, Interleukin 6 und 8 stimuliert. PCT hat sich hierdurch als wichtiger Biomarker etabliert: Zum einen dient PCT zur Abgrenzung von nicht-bakteriell bedingten schweren Inflammationsreaktionen [1]. Ein weiterer Vorteil liegt im frühen Anstieg des PCT im Serum: Bei Sepsis zeigt sich bereits nach 2–4 Stunden ein Anstieg des PCT über den Normwert von 0,05ng/ml [2]. Die S3-Leitlinie zur Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis empfiehlt darüber hinaus den Einsatz vor allem zum Monitoring der Sepsis. Da das PCT bei adäquater Therapie der Sepsisursache bereits um ca. 50% pro Tag fällt, stellt die Kinetik des PCT zur Zeit einen der besten Indikatoren dar, um antimikrobielle Therapien frühzeitig zu deeskalieren und zu verkürzen [3].

Baboudjian et al. untersuchten in der vorliegenden Studie den Nutzen von PCT zur frühen Risikoprädikation eines schweren septischen Verlaufs bei Patienten mit neu diagnostizierter obstruktiver Pyelonephritis. Sie zeigten an einer retrospektiven Kohorte von 110 Patienten, dass das PCT und C-reaktive Protein (CRP) neben einem vorbestehenden Diabetes mellitus signifikante Risikofaktoren für eine schwere Sepsis mit intensivmedizinischer Therapie, septischem und/oder Tod darstellen. Das PCT wies gegenüber dem CRP und der Leukozytenanzahl das beste prädiktive Potenzial auf (AUC 0,912).

Uroseptitiden stellen aufgrund ihres rapiden Verlaufs eine lebensbedrohliche Notfallsituation dar, die mit einer hohen Letalität einhergeht und zwingend einer raschen Diagnostik und Therapie mit Behandlung des auslösenden Faktors im Harntrakt und Sepsismanagement bedürfen. Der wesentliche Baustein in der Früherkennung ist dabei die Anwendung des (quick)SOFA Scores im Rahmen der Sepsis-3 Definition. Zusätzlich kann der Einsatz von Biomarkern hilfreich sein. Obgleich das PCT eine gute Korrelation zum (q)SOFA zeigt, ist die Datenlage zur Sinnhaftigkeit der initialen Untersuchung des PCT als Indikator für rasche Therapieeinleitungen und zur prognostischen Beurteilung in Studien bei Septitiden heterogen. Es existieren jedoch Studien, die zeigen, dass PCT einen signifikanten prognostischen Wert bei schwerer Sepsis besitzt und in Kombination mit dem (q)SOFA die Patienten mit niedriger und hoher Mortalität besser unterschieden werden können. Baboudjian et al. bestätigen in dieser Kohorte einen deutlichen prognostischen Wert. Die Überlegenheit des PCT gegenüber CRP geht dabei mit Daten vorausgehender Metaanalysen einher [4]. Zu bedenken ist hierbei jedoch der relevante Kostenunterschied zu Ungunsten des PCT.

Limitierend ist neben dem retrospektiven monozentrischen Studiendesign die fehlende Information zu den desobstruierenden Interventionen. So äußern sich die Autoren nicht zur Dauer von einsetzender Klinik bis zur Ableitung der Niere, obwohl diese signifikant das Risiko eines septischen Schocks beeinflusst [5]. Auch zu Interventionsdauer, Dauer von Applikation der antibiotischen Therapie bis zur Intervention sowie möglichen intraoperativen Komplikationen liegen keine Angaben vor.

Die hier gezeigten Daten geben Anhalt dafür, dass die Bestimmung des PCT zum frühen Zeitpunkt die Identifikation von Risikopatienten für schwere Verläufe unterstützen und Einfluss auf die Wahl und Geschwindigkeit der Therapieeinleitung nehmen kann. Hervorzuheben ist aber weiterhin die Kombination mit einer richtigen und frühen klinischen Einschätzung des Patienten gemäß aktueller Leitlinienempfehlungen und unter Beachtung offensichtlicher Risikofaktoren wie Alter, Diabetes mellitus und Multimorbidität.



Publication History

Article published online:
30 November 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany