ergopraxis 2022; 15(01): 16-18
DOI: 10.1055/a-1660-9213
Wissenschaft

Internationale Studienergebnisse

Gesundheitsberufler aus dem Gleichgewicht – Occupational Balance in der Pandemie

Während der Covid-19-Pandemie ist die Occupational Balance von Angehörigen der Gesundheitsberufe erheblich beeinträchtigt. Dies betrifft vor allem das Gleichgewicht zwischen Produktivität und Freizeit. Aktivitäten der Selbstversorgung sind von der Dysbalance weniger stark betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um Güleser Güney Yılmaz von der Kütahya Health Sciences University, Türkei.

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Wenn die Arbeitsbelastung steigt, kommt die Occupational Balance ins Wanken – insbesondere in Zeiten der Pandemie und in Gesundheitsberufen. Quelle: © Trueffelpix/stock.adobe.com (Symbolbild)

Die Forschenden führten die Studie im Mixed Methods Design mit 206 Gesundheitsberuflern wie Ergo- und Physiotherapeut*innen oder Pflegenden durch. Die durchschnittlich 31-jährigen und überwiegend weiblichen Teilnehmenden wurden in eine Studien- und eine Kontrollgruppe unterteilt. Die Studiengruppe (n = 105) hatte direkten Kontakt zu an Corona erkrankten Menschen. Die Kontrollgruppe (n = 101) arbeitete nicht direkt mit Erkrankten.

Zunächst erhob die Forschungsgruppe quantitative Daten. Dazu befragte sie alle Teilnehmenden mit dem türkischen Fragebogen zur Occupational Balance (OBQ11-T). Dieser misst die Zufriedenheit mit Betätigungen anhand des Umfangs und deren Vielfalt. Im Anschluss daran führten die Forschenden halbstrukturierte Interviews mit den Teilnehmenden durch. Darin fragten sie unter anderem nach Alltagsroutinen, neuen Aktivitäten oder Gründen für eine unterbrochene Occupational Balance.

Die Ergebnisse des Assessments zur Occupational Balance zeigen, dass sich die Studiengruppe in einem größeren Ungleichgewicht befand als die Kontrollgruppe. Diese Dysbalance wurde verstärkt, wenn die Teilnehmenden selbst an Covid-19 erkrankt waren. Aus den Interviews ging hervor, dass sich bei 36 Prozent der Befragten die persönlichen Aktivitäten verändert hatten, zum Beispiel durch Schlafstörungen. Bei etwa 41 Prozent hatte sich die Occupational Balance durch die erhöhte Arbeitsbelastung verschlechtert. Mehr als die Hälfte nannte negative Auswirkungen der Pandemie auf Freizeit und Erholung. So gaben sie an, dass sie ihre Familien nicht sehen konnten oder aufgehört hatten, Sport zu treiben. 57 Prozent passten ihre Betätigungen an oder vermieden sie, da sie fürchteten, Corona auf andere zu übertragen. Des Weiteren gaben die Befragten an, dass ihre Occupational Balance durch die Mehrarbeit und die belastenden Hygienemaßnahmen negativ beeinflusst wurde.

Die Forschenden schlussfolgern, dass Angehörige der Gesundheitsberufe aufgrund von Müdigkeit, psychischer Erschöpfung und Zeitmangel ihrer Freizeit nicht angemessen nachgehen konnten. Sie empfehlen, die Occupational Balance insbesondere während der Pandemie im Hinblick auf soziale Partizipation, Zeitnutzung und Selbstfürsorge zu beachten.

ms

Aust Occup Ther J 2021; 68: 520–534



Publication History

Article published online:
04 January 2022

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